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Entwicklungspolitik: Tödliche Kürzungen
Martin Ling über unverantwortliche Entwicklungspolitik, ob in den USA oder Deutschland
Dieser Aussage wird niemand widersprechen können, auch nicht die deutsche Bundesregierung: »Die Welt ist von Hunger in nie dagewesenem Ausmaß betroffen – und die Mittel, die wir zur Bewältigung dieser Krise benötigen, sind völlig unzureichend.« Sie kommen aus dem berufenen Munde von Cindy McCain, ihres Zeichens Chefin des Welternährungsprogramms (WFP). Das WFP muss mit einem drastischen Rückgang seiner Mittel um voraussichtlich 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr klarkommen. Und das hat Folgen: Zum Beispiel, dass im Oktober lediglich 600 000 Menschen in der Demokratischen Republik Kongo Nahrungsmittelhilfe erhalten werden, statt der geplanten 2,3 Millionen. Eins von vielen.
Selbstverständlich stehen die USA in der ersten Reihe der Problemverschärfer: US-Präsident Donald Trump hatte unmittelbar nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus im Januar die US-Auslandshilfen eingefroren und anschließend mehr als 80 Prozent der Programme der US-Entwicklungshilfebehörde USAID gestrichen. Aber direkt hinter Washington kommt schon die Bundesregierung. 2024 wurden 46,9 Prozent der globalen humanitären Hilfe von den USA finanziert und elf Prozent von Deutschland. Die USA sind nun quasi ein Totalausfall und Deutschland kürzt, wie von allen guten Geistern verlassen. Die Gelder für humanitäre Hilfe wurden 2025 auf 1,05 Milliarden Euro gesenkt, also um mehr als die Hälfte reduziert. Der Entwicklungsetat wurde um fast eine Milliarde Euro auf gut zehn Milliarden Euro für 2025 gesenkt. Und das ist nur der Anfang: 2026 gehen die Kürzungen weiter und auch die mittelfristige Finanzplanung kennt nur eine Richtung bei den Entwicklungsausgaben: nach unten.
Was die USA und Deutschland und in ihrem Gefolge viele andere reiche Staaten machen, ist schlicht verantwortungslos und hat tödliche Konsequenzen. Laut Welternährungsbericht litten 673 Millionen Menschen 2024 an Hunger. Kürzungen verschärfen logischerweise die Lage. Eine kürzlich im Fachmagazin »The Lancet« veröffentlichte Untersuchung warnt, dass allein durch die US-Kürzungen in den nächsten fünf Jahren weltweit bis zu 14 Millionen Menschen zusätzlich, darunter etwa 4,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren. Deutschland kommt dann noch obendrauf.
Dass es an Mitteln fehlt, ist eine Mär. Auf 100 bis 200 Milliarden Euro pro Jahr wird die Steuerhinterziehung allein in Deutschland veranschlagt. Hinzu böten vermögensbasierte Steuern wie eine progressive Erbschaftssteuer oder eine Milliardärssteuer jede Menge Einnahmenpotenzial. Und allein die klimaschädlichen Subventionen belaufen sich laut Umweltbundesamt auf 65 Milliarden Euro pro Jahr. Stattdessen kürzt die Bundesregierung unter SPD-Finanzminister Lars Klingbeil bei den Entwicklungsausgaben und die SPD-Entwicklungsministerin Alabali Radovan sagt: »Entwicklungshilfe ist lebensnotwendig.« Diese Einsicht teilt die Bundesregierung ganz offensichtlich nicht. Es ist ein politisches Armutszeugnis, das Menschenleben kostet.
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