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Merz verschärft »Stadtbild-Aussage«

CDU erklärt die AfD zum Hauptgegner und will Unterschiede zu ihr betonen

Bundeskanzler Friedrich Merz sagt der AfD den Kampf an und bleibt bei seiner »Stadtbild-Aussage«.
Bundeskanzler Friedrich Merz sagt der AfD den Kampf an und bleibt bei seiner »Stadtbild-Aussage«.

Friedrich Merz hat am Montag seine umstrittene Äußerung zu Migrant*innen im Stadtbild ausdrücklich bekräftigt. Auf einer Pressekonferenz nach der zweitägigen Klausurtagung der CDU-Führung sagte der Bundeskanzler auf eine Journalistenfrage, er habe gar nichts zurückzunehmen. Im Gegenteil unterstreiche er seine Bemerkung noch einmal und ging den Journalisten persönlich an: »Ich weiß nicht, ob Sie Kinder haben, und wenn unter diesen Kindern Töchter sind. Dann fragen sie mal ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte. Ich vermute, sie kriegen eine ziemlich klare und deutliche Antwort. Ich habe gar nichts zurückzunehmen. Im Gegenteil! Ich unterstreiche es noch einmal.« Der Bundesinnenminister sei dabei, daran etwas zu ändern, und diese Politik werde fortgesetzt.

Im Mittelpunkt der Pressekonferenz mit Merz und Generalsekretär Carsten Linnemann standen eigentlich die Vorbereitung auf die fünf Landtagswahlen 2026, die Sicherheits- und Wirtschaftslage sowie die Abgrenzung zur AfD. Merz bezeichnete die in Teilen als rechtsextremistisch eingestufte Partei als voraussichtlichen Hauptgegner und kündigte eine härtere inhaltliche Auseinandersetzung an. Den Begriff »Hauptgegner« erklärte Merz mal rein strategisch – wie einst die Grünen sei nun die AfD der stärkste Konkurrent in der Wahl –, mal ideologisch, da die AfD »ein anderes Deutschland« wolle. Merz warnte: »Ich kann jedem nur raten, es ernst zu nehmen, wenn wir jemanden als Hauptgegner bezeichnen. Dann bekämpfen wir ihn wirklich. Und das ist uns mit den Grünen beim letzten Mal so gelungen.«

Bei den Fragen der Journalist*innen dominierte jedoch seine »Stadtbild-Aussage«. Merz hatte vergangene Woche in Potsdam im Zusammenhang mit der Migrationspolitik gesagt, man habe »natürlich immer noch im Stadtbild dieses Problem«, weshalb der Bundesinnenminister nun in sehr großem Umfang auch Rückführungen ermögliche. Die Äußerung hatte Kritik von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung über Grüne und Linke bis hin zum Berliner Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hervorgerufen. Rückendeckung erhielt Merz von seiner Partei und der CSU.

»Ich habe gar nichts zurückzunehmen. Im Gegenteil! Ich unterstreiche es noch einmal.«

Friedrich Merz Bundeskanzler

Bei der Pressekonferenz lobte Merz seine Fähigkeit, in diesem Thema so präzise und klar zu sein, vermied jedoch jegliche tatsächliche Präzisierung und verblieb in nebulösen Formulierungen wie: »Fragen Sie ihre Kinder, fragen Sie ihre Töchter, fragen Sie im Freundes- und Bekanntenkreis herum: Alle bestätigen, dass das ein Problem ist, spätestens mit Einbruch der Dunkelheit.« Was das Problem genau sei, blieb offen. Es gehe ihm letztlich um Sicherheit im öffentlichen Raum.

Der Kanzler äußerte sich auch zu der Demonstration am Sonntagabend, bei der mehrere tausend Menschen am Brandenburger Tor unter dem Motto »Brandmauer hoch! Wir sind das Stadtbild« gegen Rassismus protestiert hatten. Wer dagegen demonstrieren wolle, solle das tun, sagte Merz. Den Demonstrant*innen warf Merz jedoch vor, sie müssten sich die Frage gefallen lassen, ob sie statt Interesse an einer Problemlösung eher »den Keil in die Gesellschaft treiben wollten.«

Zur Positionierung zur AfD sagte Merz, die Partei stelle nicht nur die Politik der vergangenen zehn Jahre infrage, sondern die Grundentscheidungen der Bundesrepublik seit 1949. Und »deshalb ist die von der AfD immer wieder bemühte ausgestreckte Hand in Wahrheit eine Hand, die uns vernichten will«.

Merz und Linnemann vermieden während der Pressekonferenz den Begriff »Brandmauer«. Das sei nicht der Sprachgebrauch der CDU, so Merz. Auf die Frage nach potenziellen Koalitionen, wenn es nach den Landtagswahlen, gerade in Sachsen-Anhalt, keine Mehrheit gegen die AfD gebe, antwortete Merz ausweichend: Diese Frage »beantworten wir am Tag nach den Wahlen und nicht vorher«. Der Parteitagsbeschluss aus dem Jahr 2018, der Koalitionen mit AfD und Linken ausschließt, gelte und werde von niemandem in der Führung infrage gestellt. Diejenigen in der Union, die dem widersprechen, »sind Minderheiten. Das sind Randfiguren.« Auf die Frage, was am Umgang mit der AfD denn nun tatsächlich neu sei, antwortete Merz salopp: »Gar nichts.«

Generalsekretär Linnemann erklärte, die AfD lebe von Problemen, sie habe einen Hunger nach neuen Problemen und nicht nach Lösungen. Die CDU lebe von der Zukunft und von einem Deutschlandbild, das positiv, optimistisch und zuversichtlich sei. Generell waren beide Politiker darum bemüht, positive Narrative zur Partei und zu Deutschland allgemein aufzubauen. Linnemann kündigte außerdem ein »Weiße-Flecken-Programm« an, das ab Januar 2026 die Präsenz der CDU vor Ort stärken soll, insbesondere in ostdeutschen Bundesländern.

Der Kanzler erklärte, die AfD sei durch die Einwanderungspolitik der vergangenen zehn Jahre und die Politik der Ampel groß geworden. Was die AfD nun klein halte, sei gute Regierungsarbeit der politischen Mitte und die Betonung der Unterschiede der Union zur AfD. Dem Narrativ, die Union könne alle ihre Inhalte umsetzen, wenn sie mit der AfD koaliere, widersprach Merz hart: »Wir haben mit dieser Partei keinerlei Übereinstimmung. Weder in den Grundüberzeugungen, noch in den tagespolitischen Fragen.« Zu häufig habe es in der Koalition öffentliche Diskussionen gegeben, die als Streit interpretiert worden seien. Damit müsse Schluss sein.

Kritik kommt derweil von links. So erklärte die Fraktionsvorsitzende der Linken Heidi Reichinnek: »Dieser Auftritt von Friedrich Merz war ein Offenbarungseid. Erst redet er über eine Abgrenzung von der AfD, nur um wenige Minuten später nicht nur seine rassistischen Stadtbild-Äußerungen zu verteidigen, sondern um noch mehr Benzin ins Feuer zu kippen.«

Den Schutz von Frauen vor Gewalt als Argument gegen Migration ins Feld zu führen, kenne man von rechts außen, so Reichinnek. »Interessanterweise hört man vom Kanzler nichts, wenn es darum geht, Frauenhäuser, Beratungsstellen und Präventionsangebote zu stärken.« Merz behaupte zwar, sich von der AfD abgrenzen zu wollen, übernehme aber immer deutlicher deren Rhetorik und Inhalte. »Ein Kanzler mit diesem Denken und Handeln wird die AfD nicht schwächen, er wird sie stärken.«

Auch der Bundesgeschäftsführer der Linken, Janis Ehling, erklärte gegenüber »nd«: »Anstatt sich bei den Millionen Menschen mit Migrationshintergrund zu entschuldigen, die hier auch täglich den Laden am Laufen halten, heizt er die Stimmung weiter an. Wer so redet, ist nicht der Kanzler aller Bürgerinnen und Bürger, sondern ein Kanzler der Spaltung und der Vorurteile. Ein geistiger Brandstifter im Kanzleramt ist das Schlimmste, was diesem Land passieren kann. Ich erwarte von der SPD, dass sie seine rassistischen Ausfälle nicht einfach hinnimmt, sondern sich jetzt vor die Menschen stellt, die Merz hier diffamiert.« 

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