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Wahlen in New York: Big red Apple?
Der Sozialist Zohran Mamdani vor der Wahl in New York
Am 4. November werden in der größten Stadt der USA, New York, 8,5 Millionen Einwohner*innen einen neuen Bürgermeister bestimmen. Mit Zohran Mamdani erzielte der linke Flügel der Demokraten einen überraschenden, aber eindeutigen Sieg bei den mehrstufigen Vorwahlen. Nun tritt er gegen seinen unterlegenen Konkurrenten Andrew Cuomo an, den ehemaligen Gouverneur des Staates New York. Zumindest momentan führt Mamdani in allen Umfragen mit einem deutlichen Vorsprung. In einer Zeit, in der Donald Trump im Inland den Rechtsstaat angreift und im Ausland für Chaos sorgt, ist seine Kandidatur ein Hoffnungsfunke für progressive Bewegungen weltweit.
Ein Kind der Bernie-Generation
Zohran Mamdani ist mit seinem fast jugendlichen Alter von 34 Jahren eine Ausnahme in der US-Politik (Konkurrent Cuomo ist 67 Jahre alt, der amtierende Bürgermeister Eric Adams 65). Er wurde in Uganda geboren, die Eltern sind die bekannte Filmemacherin Mira Nair und der Wissenschaftler Mahmood Mamdani. Seine Kindheit verbrachte er zunächst in Uganda und Südafrika, seit seinem siebten Lebensjahr ist New York City sein Zuhause.
Er selbst beschreibt seine Kindheit als privilegiert. In New York ging er zur Schule und studierte im Bundesstaat Maine, wo er sich an der Gründung einer Ortsgruppe von Students for Justice in Palestine beteiligte. Er spielte Fußball und produzierte Rap-Musik. Später engagierte er sich als Freiwilliger in der Stadtpolitik und unterstützte den Wahlkampf lokaler linker Kandidat*innen. Bevor er sich selbst um politische Ämter bewarb, arbeitete er als Sozialarbeiter und half Menschen, die von Wohnungsräumungen bedroht waren.
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung unterhält mehr als zwei Dutzend Auslandsbüros auf allen Kontinenten. Im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit »nd« gibt es an dieser Stelle regelmäßig Berichte über Entwicklungen in den verschiedensten Regionen. Alle Texte auf: dasnd.de/rls
Im Jahr 2017 schloss sich Mamdani den Democratic Socialists of America (DSA) an, wie es damals viele taten. Die traditionsreiche linke Organisation erlebte im Umfeld der Präsidentschaftsbewerbung von Bernie Sanders einen zweiten Frühling und wuchs rasant. Mit der Unterstützung der DSA wurde Mamdani im New Yorker Bezirk Queens in das Parlament des Bundesstaats, die New York State Assembly, gewählt. Bereits damals war bezahlbares Wohnen sein Thema. Er wurde 2022 und 2024 wiedergewählt und ist in der State Assembly Teil eines Blocks von Sozialist*innen, die die Politik des Bundesstaates maßgeblich beeinflussen. So ist es beispielsweise Mamdani zu verdanken, dass ein Pilotprogramm für kostenfreie Busse gestartet wurde.
Uneinige Demokraten
Mit dieser Erfahrung im Rücken kündigte Mamdani im Herbst 2024 seine Kandidatur an, nachdem Amtsinhaber Eric Adams sich einer Reihe von Korruptionsvorwürfen ausgesetzt sah. Adams wurde angeklagt, doch auf massiven Druck des Justizministeriums unter Donald Trump wurde die Anklage fallen gelassen. Die Rufe nach seinem Rücktritt ignorierte der Bürgermeister und hielt zunächst an seiner Kandidatur fest. Obwohl am Anfang als reiner Protestkandidat verschrien, konnte Mamdani in dieses politische Vakuum intervenieren und mit seiner bereits bekannten Mietenpolitik und der Forderung nach kostenlosen Bussen bei vielen Wähler*innen punkten. Letztendlich gelang es ihm, den Favoriten Cuomo mit einem überzeugenden Vorsprung zu schlagen.
Nach seinem Sieg in der Vorwahl versammelten sich zahlreiche Unterstützer*innen hinter Mamdani, allen voran natürlich Bernie Sanders, der seine politische Karriere ebenfalls als Bürgermeister begonnen hatte. Aber auch Elizabeth Warren sowie Alexandria Ocasio-Cortez, die neben Sanders vermutlich prominenteste progressive Abgeordnete im Repräsentantenhaus der USA, kündigten ihre Unterstützung an, ebenso der frühere US-Arbeitsminister Robert Reich. Viele weitere Abgeordnete, Gewerkschaften und linke Organisationen stellten sich hinter Mamdani.
Anders sehen es allerdings wichtige Demokraten wie der Minderheitenführer im US-Senat Chuck Schumer oder sein Kollege im Repräsentantenhaus Hakeem Jeffries, obwohl beide aus New York kommen. Auch wenn relativ wenige Demokraten Cuomo öffentlich unterstützen, scheinen viele insgeheim darauf zu spekulieren, dass der nun als unabhängiger Kandidat antretende Demokrat ihren eigentlichen Kandidaten Mamdani noch schlagen könnte. Denn die Demokraten ringen gerade um die richtige Strategie, um bei den kommenden Zwischenwahlen Trumps Mehrheiten im US-Kongress abzuwählen.
Zahlen und der bisherige Erfolg von Mamdani und den Mitstreiter*innen der DSA deuten darauf hin, dass es »immer noch möglich ist, eine Working-Class-Mehrheit wiederherzustellen«.
Ein Teil des Establishments hofft darauf, dass die gegenwärtige Administration so viele unpopuläre Entscheidungen trifft, dass die Demokraten »automatisch« gewinnen würden, und setzt weiterhin auf »gemäßigte« Kandidaten. Der linke Flügel setzt hingegen auf einen klaren Bruch mit der neoliberalen Politik der Vergangenheit. Ein Sieg Mamdanis würde diesen Bruch bestärken und einen entsprechenden Druck auf das alte Partei-Establishment ausüben.
Rein wahlarithmetisch könnte die Strategie des linken Flügels durchaus aufgehen. 40 Millionen Menschen in den USA leben in Armut, 60 Prozent kommen mit ihrem Einkommen gerade so über die Runden. In vielen Fällen hat die Politik der Demokraten diese Zustände verschärft. Schon seit Jahrzehnten stimmen deshalb immer mehr Arbeiter*innen für die Republikaner oder bleiben der Wahl gänzlich fern.
Die Popularität von Sanders, Ocasio-Cortez, Mamdani und ihrer Themen könnte jedoch ein neues Kapitel aufschlagen. In einer neuen, von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York unterstützten Studie wird herausgearbeitet, dass sowohl der Begriff »demokratischer Sozialismus« als auch Kandidat*innen, die sich als Sozialist*innen bezeichnen, unter demokratischen Wähler*innen großen Zuspruch finden. Wichtiger noch: Die Studie stellt fest, dass eine progressive Wirtschaftspolitik wie die von Mamdani sogar von einer Mehrheit republikanischer Wähler*innen unterstützt wird.
Diese Zahlen und der bisherige Erfolg von Mamdani und den Mitstreiter*innen der DSA deuten darauf hin, dass es »immer noch möglich ist, eine Working-Class-Mehrheit wiederherzustellen«, wie es Jared Abbott vom linken Thinktank Center for Working-Class Politics formuliert. Dafür müssten die Demokraten aber endlich entscheiden, für wen sie eigentlich Politik machen wollen.
»First We Take Manhattan …«
Die Wahlen in New York City sind jedoch noch nicht gewonnen. Denn natürlich haben Mamdani und die DSA auch eine starke und einflussreiche Gegnerschaft, allen voran Donald J. Trump persönlich. Er legte wieder einmal die alte Platte auf, die schon aus dem Wahlkampf mit Barack Obama bekannt war. »Viele Menschen sagen, (Mamdani) sei illegal hier«, sagte er. Falls er sich als Bürgermeister gegen das Vorgehen der Einwanderungsbehörde ICE stelle, »dann müssen wir ihn verhaften«.
Trump ist es auch geschuldet, dass Mamdanis Herausforderungen in den letzten Wochen des Wahlkampfs ein wenig größer geworden sind. Der unpopuläre, amtierende Bürgermeister New Yorks, Eric Adams, der ebenso wie der Verlierer der Vorwahl Andrew Cuomo als Unabhängiger gegen Mamdani antreten wollte, hat sich Ende September auf Trumps Aufforderung hin aus dem Rennen zurückgezogen. Gleichzeitig berichteten Medien, dass Trump ihm den Posten des Botschafters der USA in Saudi-Arabien angeboten habe. Auch der Kandidat seiner eigenen Partei, Curtis Sliwa, wurde von Trump indirekt zum Rückzug aus dem Rennen aufgefordert: »Ich würde sagen, dass Cuomo eine Chance auf den Sieg hätte, wenn es ein Zweikampf wäre«, so Trump.
Offenkundig ist Andrew Cuomo der Hauptgegner von Zohran Mamdani. Cuomos Politik war geprägt von Steuersenkungen für Reiche und Unternehmen einerseits und erheblichen Haushaltskürzungen im Gesundheits- und Bildungswesen sowie der Streichung dringend benötigter Mittel für Reparaturen im öffentlichen Nahverkehr andererseits. Stattdessen flossen wichtige Mittel in eine Reihe teurer Bauprojekte. Die progressiven Ergebnisse seiner Amtszeit – die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe und des Cannabiskonsums sowie ein höherer Mindestlohn im Bundesstaat – erfolgten unter massivem Druck von links.
Im Wahlkampf tritt Cuomo für 5000 mehr Polizist*innen, mehr Wohnungsbau für alle Einkommensgruppen, kleinere Schulklassen und den Kampf gegen Antisemitismus ein. Letzteres verbindet er mit dem schlecht bemäntelten Versuch, Mamdani, der selbst Muslim ist, Antisemitismus zu unterstellen.
Auch wenn Cuomo einige Gewerkschaften für sich gewinnen konnte, findet man kaum berühmte Namen an seiner Seite. Seine Unterstützer bleiben lieber im Verborgenen. Im September berichtete die »New York Times« über ein geheimes Treffen von New Yorks reichsten Immobilienunternehmern und Hedgefonds-Managern. In der Einladung zu dem Treffen hieß es: »Wir müssen entschlossen handeln, um sicherzustellen, dass Andrew Cuomo der nächste Bürgermeister von New York wird. Der einzige geeignete Kandidat, der über die Erfahrung, die Unterstützung und das Gewicht verfügt, um Zohran Mamdani zu besiegen, ist Gouverneur Andrew Cuomo.«
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Egal wie die Wahl ausgeht: Schon so weit zu kommen, wie es Mamdani geschafft hat, ist ein großer Sieg für die linke Bewegung. Entsprechend groß ist auch das Interesse daran, was hier geschieht. Zu den vielen linken Besucher*innen, die sich die letzten Wahlkampfwochen vor Ort anschauen wollen, gehören beispielsweise die Ko-Vorsitzende der Partei Die Linke Ines Schwerdtner und der Ko-Landesvorsitzende der Partei aus Berlin Max Schirmer. Im kommenden Jahr stehen in der deutschen Hauptstadt, in der die Partei bei den Bundestagswahlen die meisten Stimmen erhalten hat, ebenfalls Wahlen an. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass in Berlin und New York City zeitgleich Sozialist*innen das Stadtoberhaupt stellen werden.
Bis dahin bleibt noch viel zu tun. Und selbst wenn am 1. Januar 2026 ein demokratischer Sozialist in die Gracie Mansion, den Sitz des Bürgermeisters, einziehen würde, wird Mamdani mit vielen Hürden zu kämpfen haben. Da sind etwa die Mehrheiten im Stadtrat, die Gouverneurin in Albany und der angespannte Haushalt. Nicht alle, beispielsweise unter den 40 000 New Yorker Polizist*innen, werden ihn mit offenen Armen empfangen.
Auf der anderen Seite wird sein Versprechen, die Stadt »Trump-sicher« zu machen, von vielen Migrant*innen und der LSBTIQ*-Community gern gehört werden. Seine Fokussierung auf die Senkung der Lebenshaltungskosten durch städtische Supermärkte mit bezahlbaren Preisen, eine Mietpreisbremse, kostenlosen Nahverkehr, beitragsfreie Kinderbetreuung, einen höheren Mindestlohn und höhere Steuern für Reiche und Unternehmen dürfte jedoch den Nerv der meisten treffen. Ob damit der Sozialismus erreicht wird, sei dahingestellt, für Millionen New Yorker*innen wäre es ein großer Schritt hin zu einem würdevollen, angstfreien Leben.
Stefan Liebich ist Büroleiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York.
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