SEZ in Berlin: Wie ein konservierter Schmetterling

Das Modell des Sport- und Erholungszentrums in Friedrichshain ist gerettet und wird nun restauriert

  • Danuta Schmidt
  • Lesedauer: 4 Min.
Das Modell des SEZ soll in die Sammlung des Stadtmuseums übernommen werden.
Das Modell des SEZ soll in die Sammlung des Stadtmuseums übernommen werden.

Die Initiative zur Rettung des Sport- und Erholungszentrums »SEZ für alle« gibt es seit Frühjahr 2024. Anwohner, Interessierte, Architekten und Denkmalpfleger arbeiten hochaktiv, um das Sportzentrum zu retten, gewannen schon viele Fürsprecher wie die ehemalige Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke), Sportmoderator Karl-Heinz Wendorff oder den Architekten Günter Reiß. Einer von ihnen, Volkmar Vogel, organisierte nun die Abholung des Originalmodells aus dem Foyer des Hauses und die Weiterversorgung in einer Modellbauwerkstatt in Alt-Köpenick.

Das SEZ, 1981 eröffnet, soll Wohnungen weichen. Gleichzeitig braucht der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg als am dichtesten besiedelter Bezirk dringend Freizeitflächen, Turnhallen, Sportplätze und Schwimmhallen. Haus und Grundstück gehören der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM), die auch die Wohnungen bauen soll.

»Wir haben im Herbst 2024 das Modell dort stehen sehen und überlegt, dass dieses Modell unbedingt gerettet werden muss, neben Aktenschränken voller Dokumente und Pläne«, sagt Vogel. Die WBM hatte die Räumung angekündigt. Im Juni begann Vogel Leute zusammenzubringen. Der studierte Mathematiker besuchte den Modellpark Berlin-Brandenburg in der Wuhlheide und wunderte sich, dass nur Gebäude ausgestellt sind, die noch existieren. Es fehle zum Beispiel der Palast der Republik und auch das Ahornblatt, eine Großgaststätte auf der Fischerinsel in Mitte, die im Jahr 2000 abgerissen wurde.

In der Reparaturwerkstatt des Modellparks fragte er nach, ob es Interesse am Modell gäbe, ob man nicht Pläne brauche, um das SEZ nachzubauen. »Für mich war es auch wichtig, Modellbauer zu finden, die solche Modelle restaurieren können, die Erfahrung haben. Auf dem ganzen Weg dort, vom Kuchenverkäufer bis hin zum Leiter des Modellparks, spürte ich die Begeisterung für unser Projekt.« Und er habe den Tipp bekommen, eine Modellbauwerkstatt der Union Sozialer Einrichtungen (USE) in Alt-Köpenick zu kontaktieren.

Die Team der USE-Modellbauwerkstatt um Chef Jens Dralle haben das Modell aus dem SEZ geborgen – nach längeren Verhandlungen mit der WBM, dem Stadtmuseum sowie der Initiative und ermöglicht durch eine großzügige Spende, die die beiden Oppositionsfraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses Linke und Grüne sofort zugesagt hatten. Das Stadtmuseum will das Modell unter der Voraussetzung in die Sammlung übernehmen, dass es restauriert wird.

Die Restaurierungskosten belaufen sich auf mehrere Tausend Euro. »Wir machen die konservatorische Erstversorgung«, sagt Paul Hansen aus der Modellbauwerkstatt. Nach der Bergung und Sicherung bedeutet das: »Wir katalogisieren den Zustand und die Schäden des Modells, wir machen Zeichnungen und Fotos, und wir ordnen auch die losen Teile zu, die durchnummeriert werden.«

Das knapp drei mal drei Meter große Modell aus Sandwichpappe, Acryl und Pappe ist nun in guten Händen. Modellbauer Hansen stammt aus Steglitz und hat an der TU Berlin Architektur studiert. Er besitzt das feine Gespür für den geborgenen Schatz: »Das Modell ist eine sehr schöne Arbeit. Es hat eine hohe Materialqualität. Ich mag die 80er Jahre, die Ästhetik dieser Zeit, auch farblich, das Ocker und das Braun. Den Umgang mit Berliner Geschichte, speziell mit der Ostarchitektur, finde ich nicht gut«, sagt Hansen. Dadurch werde Geschichte unlesbar, ausradiert. Nach dem Palast der Republik falle eine nächste Ikone. »Das SEZ hat ein super Umnutzungspotenzial durch den sehr variablen, offenen Grundriss und eine hohe Raumtiefe sowie das Licht, das von oben, vom gläsernen Dach kommt.«

Einzelne Räume des SEZ wurden noch 2024 für Dreharbeiten, Firmenfeiern, Technopartys und auf sportlicher Ebene für Yogakurse genutzt. Artisten gingen ein und aus, Badminton-Spieler, sie nutzten die Sporthallen und Schwimmbecken. Der damalige Eigentümer hatte die Schwimmbecken mit Gymnastikböden extra überbaut.

Die aufwendige Modell-Restaurierung wird nun in Absprache mit der Restauratorin des Stadtmuseums erfolgen, dem das Modell jetzt gehört. »Wir machen die Erstversorgung, und es ist alles auf Knirsch, also auf drei Wochen kalkuliert. Wir könnten mehr Zeit gebrauchen.« Gelder für die kommende Restaurierung fehlen noch. Nun wird ein Spendenkonto eingerichtet, dessen Einnahmen beim Förderverein des Stadtmuseums ankommen.

»Wie ein Schmetterling mit zwei Flügeln«, so beschrieb der Architekt Thomas B. Krüger, der gegenüber baute, das SEZ bei der Kundgebung zum Tag des offenen Denkmals. Auch am Modell ist das gut zu erkennen. Das in Deutschland einzigartige Sport- und Erholungszentrum und dessen Modell, das auch im DDR-Fernsehen war, brauchen Unterstützer und Mitdenkerinnen. Zum Jahresende soll eine »Machbarkeitsstudie« vorliegen. Für den Abriss.

Spendenkonto:
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BIC: BEVODEBEXXX
Verwendungszweck: »SEZ-Modell«

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