Im Linienbus auf Mallorca – und zwar mit Vergnügen

Die beliebte Insel lässt sich gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erkunden – wenn man weiß, wie

  • Steven Hille
  • Lesedauer: 4 Min.
Für die Strecke nach Valldemossa oder Port de Sóller schlängeln sich die mal­lor­qui­nischen Linienbusse durch die Serpentinen im Tramuntana-Gebirge.
Für die Strecke nach Valldemossa oder Port de Sóller schlängeln sich die mal­lor­qui­nischen Linienbusse durch die Serpentinen im Tramuntana-Gebirge.

Mallorca, das ist für viele: Strand, Sangría, Mietwagen. Doch die Baleareninsel lässt sich auch ganz anders erfahren – leiser, günstiger, klimafreundlicher: mit dem öffentlichen Linienbus. Wer sich darauf einlässt, spart schnell ein paar Hundert Euro, sieht mehr vom Land als nur die Parkbuchten vor Strandbars – und lernt nebenbei, dass Warten eine Kunst sein kann.

Seit 2019 ist die Zahl der Fahrgäste im öffentlichen Verkehr auf Mallorca um gut 44 Prozent gestiegen. Bemerkenswert – und kein Zufall. Natürlich sind Mietwagen in der Hauptsaison teurer geworden. Vor allem aber funktioniert das Netz. Es erreicht praktisch alle touristischen Ziele der Insel. Man muss nur verstehen, wie es aufgebaut ist.

Alle Wege führen (erst einmal) nach Palma

Der Verbund Transport de les Illes Balears (TIB) denkt sein Busnetz wie ein Rad: In der Nabe Palma, von dort die Speichen in alle Himmelsrichtungen – und wieder zurück. Diese radiale Struktur bedeutet: Wer von Küste zu Küste will, fährt oft über Palma. Das klingt nach Umweg, ist aber effizient. Rund um die Hauptstadt ist die Taktung dicht, die Anschlüsse sind abgestimmt, die Orientierung fällt leicht.

Die Liniennummern sind dabei kleine, sehr hilfreiche Wegweiser: 100er-Busse bringen Reisende in den Südwesten – nach Port d’Andratx oder zu den Stränden von Magaluf. Die 200er steigen ins Tramuntana-Gebirge hinauf, nach Valldemossa oder Port de Sóller. Der Norden mit Pollença und Alcúdia gehört den 300ern; 400er erschließen den Nordosten mit Cala Millor und Manacor. Wer in den Süden möchte, etwa nach Cala d’Or, nimmt eine 500er-Linie. Wer das Prinzip einmal verinnerlicht hat, plant den Tag danach: Achse, Knoten, Ziel. Und zurück.

Kostenlos für Einheimische – günstig für Gäste

Für Einheimische ist der Bus kostenlos. Urlaubern macht der TIB die Sache einfach: Kontaktlose Bankkarte beim Einsteigen ans Lesegerät halten – beim Aussteigen wieder. Bis zu fünf Personen können mit derselben Karte fahren; Gruppen sparen zusätzlich. Abgerechnet wird gesammelt am nächsten Tag. Wer das »Ausbuchen« vergisst, zahlt 30 Cent je Person als kleine Unachtsamkeitsstrafe. Vorläufig kann der TIB bis zu 20 Euro blocken und verrechnet danach den realen Fahrpreis. Mit durchschnittlich 1,80 Euro pro Strecke ist der Bus deutlich günstiger als Taxi, Mietwagen – und in vielen Fällen auch günstiger als eine vergleichbare ÖPNV-Fahrt in Deutschland.

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Die Taktung schwankt je nach Saison und Tageszeit. Im Sommer fährt manche Linie alle 20 oder 25 Minuten. In der Nebensaison werden Intervalle ausgedünnt; einzelne Strandlinien pausieren bis April oder Mai. Das ist nicht unhöflich, sondern ehrlich: Wo weniger Menschen unterwegs sind, fährt auch der Bus seltener. Wer plant, fährt gelassen.

Die meisten TIB-Busse sind klimatisiert. Oft etwas zu gut. Pullover im Hochsommer? Auf Mallorca plötzlich eine Option. Es gibt Gepäckfächer, zwei Stellplätze für Fahrräder – und elektronische Anzeigetafeln an vielen Haltestellen. Letztere haben allerdings ihre Launen. Anzeigen fallen aus, Echtzeiten sind nicht immer echt, und selbst Google Maps liegt gelegentlich daneben. Die Faustregel für Urlauber: Geduld einpacken, Erwartungen erden, 20 Minuten Puffer gehören ins Handgepäck. Wer so reist, kommt entspannt an.

Familienfreundlich: Kinder dürfen Fragen stellen

Kinder dürfen im Bus die Seite wechseln, aus dem Fenster schauen, Fragen stellen. Das ist heiterer als jeder Kindersitz. Auch die nächtliche Abreise zum Flughafen klappt: Es gibt frühe und späte Verbindungen, zuverlässig genug, um nicht schon am Gate wieder urlaubsreif zu sein. In der Hochsaison allerdings gilt: Plan B mitdenken. Wenn ein Bus voll ist, fährt der nächste. Und wenn der auch voll ist, hilft ein Eis an der Haltestelle – und 15 Minuten später ein Sitzplatz.

Wer flexibel ist und Zeit mitbringt, entdeckt per Bus eine andere Insel. Hinter der nächsten Kurve wartet oft der schönere Blick, am Ende eines Weges die ruhigere Bucht. Wer unbedingt vier Strände an einem Tag braucht, darf weiter den Zündschlüssel drehen. Alle anderen steigen ein, halten die Bankkarte an das Lesegerät – und lassen sich tragen. Unser Autor hat den Mietwagen schon im zweiten Sommer nicht vermisst und würde Mallorca jederzeit wieder im TIB-Gelb bereisen. Die Insel dankt es mit weniger Stau, mehr Geschichten – und einem Reisebudget, das noch für ein Abendessen am Hafen reicht.

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