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Olympia-Bewerbung in Hamburg: Träumereien an der Binnenalster

Die Hansestadt nimmt zum dritten Mal Anlauf für Olympische Spiele

  • Volker Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 6 Min.
Mit fünf schwimmenden Plattformen in Form der olympischen Ringe soll die Binnenalster eine Arena werden.
Mit fünf schwimmenden Plattformen in Form der olympischen Ringe soll die Binnenalster eine Arena werden.

»Wir sind dafür. Olympia für Deutschland« prangt auf dem Titel der November-Ausgabe eines kostenlosen Monatsmagazins für Sport in Hamburg. Auch im Editorial keine Spur von Lokalpatriotismus. Der Herausgeber äußert sich anerkennend zu dem Ende Oktober in München erfolgten Bürgerentscheid. 66,4 Prozent votierten dafür, dass sich die bayerische Landeshauptstadt neben Berlin, der Region Rhein-Ruhr und eben Hamburg für die Olympischen und Paralympischen Sommerspiele 2036, 2040 oder 2044 bewirbt. Von »Olympia für Hamburg« ist in dem 52 Seiten starken Heft keine Rede – trotz des erheblichen publizistischen Aufwands, den die Stadt- und Landesregierung, der Senat, betreibt, damit der ausstehende heimische Volksentscheid in seinem Sinne ausfällt.

München ist sowieso der Favorit vom Deutschen Olympischen Sportbund, der im Herbst 2026 dem Internationalen Olympischen Komitee einen Vorschlag für den Austragungsort machen wird. Die Vorzeichen für Hamburg stehen schlecht. Zumal der Senat bei Großprojekten keine glückliche Hand hat.

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Der »kurze« Olaf

Für Spott sorgt bundesweit der »kurze Olaf«. Der vom Ex-Bürgermeister und Ex-Kanzler Olaf Scholz (SPD) gemeinsam mit dem inzwischen in Österreich in einem ersten von etlichen Betrugsprozessen verurteilten Immobilienmogul René Benko geplante Elbtower sollte mit 245 Metern das dritthöchste Haus Deutschlands werden. Es entstand eine Ruine von 100 Metern. Entgegen aller gegenteiligen Beteuerungen wird sich die öffentliche Hand nun doch mit einer noch unbekannten Summe am Weiterbau beteiligen.

Sportliche Betätigung versprach ein mehr als 13 Millionen Euro teurer »Spielbereich« auf dem Jungfernstieg, dem Boulevard an der Binnenalster, dem See in der Innenstadt. An fünf Stellen sollten Flanierende Trampolin springen können. Doch wenige Wochen nach der Eröffnung im Juli waren die Geräte kaputt. Das letzte in Hamburg ausgerichtete internationale Großereignis blieb durch Krawalle als Fiasko in Erinnerung, der G20-Gipfel 2017.

»Mach mit, bring dich ein!« lautet das hölzerne Motto der Kampagne, um die Begeisterung der Bevölkerung für Olympia zu wecken. Sieben »Beteiligungsveranstaltungen« in den Stadtbezirken sollen die Stimmung anheizen für das Votum am 31. Mai 2026. Aktuell ist der Enthusiasmus für das Megaevent an der Elbe dem Zuspruch an der Isar diametral entgegengesetzt: Bei einer Umfrage des Norddeutschen Rundfunks im Oktober sprachen sich 60 Prozent gegen die Olympischen Spiele aus, nur 27 Prozent waren dafür. Auch wenn »Olympia für Deutschland« zur Wahl steht, schneidet die Hansestadt schlecht ab. In einer von der »Bild«-Zeitung beauftragten bundesweiten Erhebung waren 48 Prozent für München, 21 für Berlin, 14 für Rhein-Ruhr und nur 10 Prozent für Hamburg.

Geringes Interesse

Beim Auftakt der Werbung des Senats am 1. November in der HafenCity-Universität interessierten sich lediglich 500 Leute zwischen 11.30 und 18.30 Uhr für die Vorträge und Pinnwände zu Themen wie Verkehr, Nachhaltigkeit und Stadtentwicklung. Was Steffen Rülke, der Chef der Olympia-Projektgruppe, zu sagen hatte, wollten nur 100 Leute hören, darunter zahlreiche Funktionäre von Sportverbänden. Der Jurist, der bis Mai 2025 die Abteilung Sport im Bundesinnenministerium leitete, redet sich das Münchner Votum schön: »Das gibt uns Rückenwind, gemeinsam mit den Hamburgerinnen und Hamburgern unsere eigene Olympia-Geschichte weiterzuschreiben und unser Konzept weiter auszuarbeiten.« Frühestens im kommenden Februar wird erklärt, wie teuer die Hamburg-Spiele werden sollen.

Im Träumen ist der Senat schon Sieben-Meilen-Schritte voraus und hat ein Video für eine Eröffnungsfeier anfertigen lassen. Mit fünf schwimmenden Plattformen in Form der olympischen Ringe soll die Binnenalster »eine Arena werden«, schwärmt der für Sport zuständige Innensenator Andy Grote (SPD), »weil wir hier die Chance haben, ein Stadterlebnis mit einem Stadiongefühl zusammenzubringen. Und das ist völlig einzigartig.« Grote wurde überregional bekannt, als der 2020 für einen Corona-Regelverstoß bei einer Feier mit einem Bußgeld Bedachte ein Jahr später andere für dasselbe Verhalten kritisierte und auf einen Twitter-Kommentar (»Du bist so 1 Pimmel«) beleidigt und mit einem Antrag auf Hausdurchsuchung durch die Polizei reagierte.

Positive Impulse

Wie der Senat aus SPD und Grünen ist auch die oppositionelle CDU pro Olympia. Es gehe um mehr als die Wettkämpfe, sagt der Vorsitzende Dennis Thering, »es ist ein starker Impuls für unsere Stadt, der positiv in allen Lebensbereichen wirkt: für den Sport, die Wirtschaft, für die Infrastruktur«.

AfD und Linke sind sich ausnahmsweise einig in der Ablehnung. Martin Wolter, sportpolitischer Sprecher der Linksfraktion und Vorsitzender des Sportausschusses in der Bürgerschaft, verweist auf bereits bestehende finanzielle Belastungen durch Großvorhaben wie die Einrichtung eines Naturkundemuseums im Elbtower, eine neue U-Bahn und den Neubau einer Oper, die der Stadt zwar vom milliardenschweren Unternehmer Klaus Michael Kühne »geschenkt« werde, aber dennoch nicht umsonst sei; wenigstens 250 Millionen Euro fallen für die Erschließung des Grundstücks an. Offen sei vor allem, ob und wie weit sich der Bund an den Kosten für Olympia beteiligen werde.

Daran hakte es schon beim letzten Mal. Denn es ist bereits der dritte Versuch Hamburgs, Olympiastadt zu werden. 2003 bevorzugte das Nationale Olympische Komitee Leipzig als Kandidat für die Spiele 2012, die schließlich in London stattfanden. Beim zweiten Anlauf wollten die Hamburger Bürger nicht mitspielen und stimmten bei einem Referendum im November 2015 mit 51,6 Prozent gegen eine Bewerbung für die Spiele 2024, für die schließlich Paris den Zuschlag erhielt. 11,2 Milliarden Euro waren damals für das Event veranschlagt, das nur 3,8 Milliarden einbringen sollte. Bis zur Abstimmung hatte die Bundesregierung keine Zusage zur Beteiligung an den Kosten abgegeben. Für die Bewerbung allein gab Hamburg mehr als 10 Millionen Euro aus. Diesmal hat der Senat schon 20 Leute eingestellt, um die Werbetrommel zu rühren.

Größenwahn

Während der Innensenator vor zehn Jahren von einer »wahnsinnigen Chance« sprach, die vergeben worden sei, nannten die Gegner die Planungen »unfassbar größenwahnsinnig«. Zwar verkauft der Senat die Spiele heute als »ein Projekt von Dialog, Transparenz und Nachhaltigkeit«, so der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). »Doch hinter der glänzenden Rhetorik verbergen sich erhebliche ökologische und soziale Risiken.« »NOlympia« nannte sich die 2015 erfolgreiche Gegeninitiative, und so heißt sie wieder. »An den Grundparametern hat sich gegenüber damals nichts verändert«, findet Eckart Maudrich (siehe Interview), der als Sprecher der zurzeit rund 30-köpfigen Gruppe fungiert. »Olympia ist zu groß für Hamburg und eine Überforderung der Stadt.«

Der 54-jährige Marketing- und Vertriebsexperte ist durchaus sportaffin, spielte Handball und erlangte Titel als Hochspringer. Aber er führt eine lange Liste von Einwänden an, die sich aus den Erfahrungen bisheriger Olympiastädte ergeben, wie Verkehrschaos und steigende Mieten. Ganz zu schweigen vom korrupten Internationalen Olympischen Komitee. »Das IOC redet nach wie vor anders, als es handelt. Es nimmt immer noch mehr, als es gibt. Diese Kultur pervertiert alle nachgeordneten Akteure.«

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