Auftrag für das DFB-Team: Siegen für die Sicherheit

Die deutschen Fußballer gehen in die letzten beide WM-Qualifikationsspiele

  • Frank Hellmann, Wolfsburg
  • Lesedauer: 4 Min.
Bleibt am Ball: Bundestrainer Julian Nagelsmann plant weiter eifrig die WM-Mission.
Bleibt am Ball: Bundestrainer Julian Nagelsmann plant weiter eifrig die WM-Mission.

Es ist nicht das, was sich die deutschen Fußballer als Mutmacher gewünscht haben – ein Kapitän, der auf der Massagepritsche liegt. Auch ein verschmitztes Grinsen im Gesicht konnte nicht verdecken, dass es Joshua Kimmich schon mal besser ging. Wegen einer Verletzung am rechten Sprunggelenk verpasst er das WM-Qualifikationsspiel an diesem Freitag in Luxemburg.

»Leider vorerst mein Arbeitsplatz. Gebe alles, um am Montag wieder auf dem Platz zu stehen«, schrieb Kimmich am Donnerstag zu seinem Reha-Bild, nachdem der DFB vor dem Abschlusstraining in Wolfsburg die Nachricht verbreitet hatte. Die Worte des Kapitäns hörten sich zumindest so an, als würde er vielleicht beim Showdown gegen die Slowakei am Montag in Leipzig wieder mitwirken könnten. Im Großherzogtum dürfte ihn Ridle Baku vertreten, der tags zuvor auf der Pressekonferenz einen aufgeräumten Eindruck hinterlassen hatte. Der 27-Jährige ist bei RasenBallsport Leipzig unumstrittene Stammkraft. Nun sollte er gegen Luxemburg besser spielen als in seinem ersten WM-Qualifikationsspiel gegen Liechtenstein unter Bundestrainer Hans Flick. Bei jenem Pflichtsieg im schweizerischen St. Gallen im September 2021 hatte Baku noch Fehlpass an Fehlpass gereiht. Neben Kimmich fällt aus der Stammbesetzung auch Innenverteidiger Nico Schlotterbeck aus, der ebenfalls auf eine schnelle Genesung bis Montag setzt.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Zwei Spiele, ein Ziel

Die Marschroute für das Länderspiel-Doppelpack hatte Rudi Völler bereits zu Wochenanfang in Wolfsburg formuliert. »Das sind zwei ganz, ganz wichtige Spiele, wir wollen beide gewinnen und uns als Erster qualifizieren. Und dann geht’s zur WM.« Der Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) klang dabei ähnlich zuversichtlich wie Bundestrainer Julian Nagelsmann, der beim öffentlichen Training vor den vielen jugendlichen Zuschauern aus großer Entfernung auch mal lässig einen Ball im Minitor versenkte. Zur Situation seiner Mannschaft meint er: »Wir sind nicht abhängig von anderen Ergebnissen, nur von unserer eigenen Leistung. Wir haben uns nach dem schlechten Auftakt eine ordentliche Ausgangslage beschert.«

Vor der Qualifikation galt für die Vierergruppe mit der Slowakei auf Weltranglistenplatz 46, Nordirland (69) und Luxemburg (97) mal die Prämisse, ausnahmslos »überzeugende Siege« einzufahren. Diese Messlatte hat die DFB-Auswahl gleich beim 0:2 zum Auftakt in der Slowakei gerissen. Deshalb warnte der Bundestrainer mit Blick auf die Blamage von Bratislava: »Wir haben keine weitere Möglichkeit für einen Ausrutscher, weil wir uns den schon genehmigt haben.« Gegen Luxemburg soll es einen ähnlich klaren Sieg geben wie beim 4:0 in Sinsheim, dann geht der Fokus sofort zum letzten Spiel gegen die Slowaken, die nach ihrem Sieg gegen die Deutschen kaum mehr überzeugen konnten. Daher hat der schwarz-rot-goldene Optimismus – auch illustriert durch die neuen Trikots mit einem an die WM 1990 angelehnten Zackenmuster – durchaus seine Berechtigung.

Der Bundestrainer plant seit Monaten die Mission in Kanada, Mexiko und den USA. Alles ist durchleuchtet: von den Lostöpfen über den Modus bis zu den Quartieren. Sogar der sonst nicht für markige Ansagen bekannte DFB-Präsident Bernd Neuendorf hat sich geäußert: »Ich erwarte ganz klar, dass wir die beiden Spiele gewinnen und damit auch die Gruppe, sodass wir idealerweise in den Lostopf eins kommen und bei der Auslosung Anfang Dezember dann Klarheit über alles haben und nicht in irgendwelche Qualifikationsrunden müssen.«

Große Fallhöhe

Planungssicherheit ist ein hohes Gut für einen Verband. Unter keinen Umständen soll der vierfache Weltmeister noch bis März 2026 in der Warteschleife hängen und am 5. Dezember bei der Auslosung im John F. Kennedy Center in Washington nicht wissen, ob man dabei ist. Zudem sind die Playoffs tückisch, obwohl Europa neuerdings 16 der 48 Startplätze hat. Denn auf diesem Wege werden nur noch vier Tickets vergeben. Es sind also zwei K.o.-Spiele zu gewinnen, und es reicht der Blick zu den zweimal in Folge nicht für eine WM qualifizierten Italienern, um sich die Fallhöhe für eine große Nation zu vergegenwärtigen.

Völler kann sich gut an die Anspannung solcher Spiele erinnern. Vor der Weltmeisterschaft 2002, als Deutschland überraschend als Vizeweltmeister aus Yokohama zurückflog und die Menschen am Frankfurter Römer vor allem ihn feierten, war nämlich die Qualifikation erst nach zwei Zitterspielen gegen die Ukraine unter Dach und Fach. Unter dem damaligen Teamchef hatte sich die Nationalelf in den Gruppenspielen zuvor in München ein krachendes 1:5 gegen England geleistet, dazu ein blamables 0:0 gegen Finnland. Und plötzlich musste Deutschland im November 2001 in die Playoffs. »Das war die größte Drucksituation, die ich in meiner Karriere erlebt habe«, wiederholte der 65-Jährige mehrfach. Einem etwas glücklichen 1:1 im Hinspiel von Kiew folgte darauf in Dortmund ein begeisterndes 4:1. Alles war gerade noch mal gut gegangen, aber einen solchen Nervenkitzel braucht niemand mehr.

Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.