Bröckelnder Beton: Vier Monate Großsperrung bei der U-Bahn

Bauarbeiten am Nollendorfplatz sind Vorgeschmack auf noch längere Sperrungen bei U1 bis U4

Ab Januar 2026 wird am U-Bahnhof Nollendorfplatz gebaut. Das führt zu erheblichen Einschränkungen im U-Bahn-Betrieb.
Ab Januar 2026 wird am U-Bahnhof Nollendorfplatz gebaut. Das führt zu erheblichen Einschränkungen im U-Bahn-Betrieb.

»Infrastruktur baut man ja immer gern, aber am liebsten wollen wir uns eine Maßnahme am Nollendorfplatz sparen«, sagt BVG-Chef Henrik Falk ziemlich zu Beginn der Pressekonferenz, mit der die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) auf die ab Januar 2026 anstehende viermonatige Großsperrung im Berliner U-Bahn-Netz einstimmen.

Ab 12. Januar wird die U3 nur noch zwischen Krumme Lanke und Spichernstraße fahren. Die U1 endet, von der Warschauer Straße kommend, bereits am Gleisdreieck. Außerdem wird noch ein Pendelzug zwischen Wittenbergplatz und Uhlandstraße fahren. Die U4 ist in der Zeit ganz eingestellt. »Der 11. Mai, nicht der 1. Mai ist dann der Freudentag«, sagt Falk. Dann sollen die Arbeiten beendet sein und U1 bis U4 wieder wie gewohnt fahren.

»Das große Rückgrat während dieser Maßnahme muss die U2 sein«, sagt der BVG-Chef. »Die U2 werden wir auf einen Vier-Minuten-Takt verdichten. Das gibt uns 18 Prozent mehr Kapazität, damit schaffen wir es, einen Großteil der U1- und U3-Fahrgäste zu verlagern auf die U2«, ergänzt Ronny Dethloff, Leiter der Angebotsplanung bei der BVG.

Derzeit fährt die U2 wegen des Wagenmangels noch im Notfahrplan. Deswegen wird nur ein 4,5-Minuten-Takt angeboten. Wie angespannt die Fahrzeuglage weiterhin ist, zeigt Dethloffs Aussage, dass die Rest-U3 nur »fast vollständig« mit Acht-Wagen-Zügen betrieben werden soll. Er empfiehlt als »Bypass« gerade für U3-Fahrgäste, die von Westen nach Kreuzberg wollen, die U7.

Den Linienteil zwischen Spichernstraße und Wittenbergplatz kann die U3 nicht befahren, weil es vor dem wegen der Bauarbeiten komplett gesperrten Tunnelbahnhof Nollendorfplatz keine Wendemöglichkeit für die Züge gibt. Und wegen des dichten Takts würde die theoretisch mögliche Umleitung auf die Hochbahnstrecke der U2 Richtung Gleisdreieck absehbar im Chaos enden.

Für U3 und U4 wird eine Ersatzbuslinie eingerichtet, die von Spichernstraße über Wittenbergplatz Richtung Innsbrucker Platz fahren wird. Alle zehn Minuten durchgehend, Zusatzbusse zwischen Wittenbergplatz und Spichernstraße verdichten das Angebot dort auf einen Fünf-Minuten-Takt.

Auslöser der Unbill für die Fahrgäste sind zwei vollkommen marode Abschnitte im U-Bahnhof Nollendorfplatz. Über Jahrzehnte hat einsickerndes Wasser 45 Metern Betondecke am Westende und sieben Metern am Ostende des 99 Jahre alten Tunnelbahnhofs so zugesetzt, dass sie erneuert werden müssen. Dabei handelt es sich um 250 Quadratmeter Beton der Decke zwischen erstem und zweitem Tiefgeschoss des Bahnhofs.

Bei Bauarbeiten in früheren Jahrzehnten ist offenbar die isolierende Schicht aus Bitumenbahnen um den Tunnel beschädigt worden. Das Wasser wusch den Beton so aus, dass die Armierung teilweise freilag und rostete.

»Wir wechseln 38 Deckenfelder«, sagt Heike Puslat, die bei der BVG für die Steuerung von U-Bahn-Bauprojekten zuständig ist. »Wir werden alle Gleise auf der mittleren Ebene rausnehmen, damit wir da auch arbeiten können«, beschreibt sie den ersten Schritt. Auch zahlreiche Kabel werden gesichert. Anschließend muss der Beton herausgestemmt werden, bevor neu betoniert werden kann.

Die zerkleinerten Betonbrocken müssen händisch vom U-Bahnhof an die Oberfläche getragen werden. »Die Enge auf diesem Bahnhof lässt es leider nicht zu, dass wir groß Maschinen hier einführen können«, sagt Puslat. »Somit werden wir das alles per Handarbeit machen.«

Mit großen unangenehmen Überraschungen rechnet sie nicht. »Beprobungen sind im Vorfeld gelaufen, die normalerweise erst in den Bauabschnitten laufen – wir erwarten keine größeren Havarien«, sagt Puslat. Es gebe fast täglich ein Meeting zum Nollendorfplatz, berichtet sie.

Es bleibt zu hoffen, dass auch die Züge auf dem U1-Abschnitt zwischen Warschauer Straße und Gleisdreieck so zuverlässig wie geplant ihren Dienst verrichten. Denn sie werden für vier Monate von der Betriebswerkstatt am U-Bahnhof Olympia-Stadion an der U2 isoliert sein. In der Werkstatt an der Warschauer Straße sind nur kleinere Arbeiten möglich.

Es gibt zwar ein Verbindungsgleis zwischen U1 und U2 am Gleisdreieck, allerdings ist es nicht in die Signaltechnik eingebunden. »Schlimmstenfalls, wenn ein Zug wirklich havariert, kann die Kurve genutzt werden«, sagt Heike Puslat. Das wäre dann allerdings eine Aktion, die etwas Vorbereitung bräuchte, denn dafür ist einiges an Sicherungspersonal nötig.

Nach den Bauarbeiten am Nollendorfplatz sollen erst ab 2028 wieder größere Sperrungen in dem Bereich anstehen, verspricht Henrik Falk. »Bis dahin hat man die Sicherheit, dass erst mal nichts passiert, wenn nicht irgendein Event kommt, eine Havarie oder was auch immer, wo man noch ranmuss«, sagt der BVG-Chef.

Im Jahr 2028 sollen die Arbeiten für den Ersatz von zwei Brücken beginnen, die den U1-Bahnhof Gleisdreieck mit der Tunnelrampe Richtung Kurfürstenstraße verbinden. Rund 15 Monate wird die Strecke komplett gesperrt sein.

Dann sollen auch die Arbeiten für die Sanierung des U-Bahntunnels zwischen Nollendorfplatz und Wittenbergplatz beginnen. Auch der U1-Endbahnhof Uhlandstraße muss saniert werden. Die Arbeiten sollen so gebündelt werden, dass die eine große Sperrung reicht, sagt Puslat zu »nd«.

Im Anschluss dürfte es wieder größere Sperrungen auf der U2 geben. Das Viadukt zwischen den U-Bahnhöfen Mendelssohn-Bartholdy-Park und Nollendorfplatz muss saniert werden. Die BVG hat die vielen Einzelprojekte zum übergreifenden Vorhaben »Streckensanierung West« zusammengefasst. Knapp 350 Millionen Euro sind dafür veranschlagt. Geplantes Bauende: Mitte 2032.

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