Selbstorganisation ist der Schlüssel

Agrarökologische Gärten verbessern die Ernährungssituation

  • Vanessa Kohm, SODI
  • Lesedauer: 5 Min.
Wasser ist in der kargen Gegend knapp: Künstliche Bewässerung eines Setzlings
Wasser ist in der kargen Gegend knapp: Künstliche Bewässerung eines Setzlings

Das Handy von Wade Parker vibriert. In einer Messenger-Gruppe meldet sich ein Bauer aus Concordia in Südafrika. Er schickt ein Foto von Setzlingen, die von Schädlingen befallen sind. Kurz darauf bekommt er Tipps von anderen Mitgliedern des Chats. Für Parker ist der Chat ein kleines Symbol dafür, wie sich Menschen gegenseitig unterstützen, um trotz knapper Ressourcen selbst Lebensmittel anzubauen.

Parker arbeitet bei der südafrikanischen Graswurzelorganisation Surplus People Project (SPP). Er ist Programmleiter für Agrarökologie, Ernährungssouveränität und Klimagerechtigkeit. In den südafrikanischen Provinzen West- und Nordkap, wo Armut, Hunger und Perspektivlosigkeit weitverbreitet sind, begleitet seine Organisation Menschen, die ihre Ernährung selbst sichern wollen.

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Lesen Sie hier aktuelle Berichte zu den jeweiligen Projekten sowie weitere Artikel aus den vergangenen Jahren.

In einem gemeinsamen Projekt mit dem Solidaritätsdienst International (SODI) unterstützt SPP lokale Produzent*innen, agrarökologisches Wissen weiterzugeben, ihre Ernährung zu sichern – und ein solidarisches Ernährungssystem von unten aufzubauen. Das Projekt richtet sich an alle, die Lebensmittel anbauen möchten. Viele Teilnehmende arbeiten in der Landwirtschaft in den Betrieben anderer, häufig als Saisonarbeiter*innen. Ihr Lohn reicht allerdings kaum zum Leben aus.

Kirchenland wird in Gemüsebeet verwandelt

Manche bewirtschaften mehrere Hektar. Andere nutzen alle möglichen Ecken, auch solche, die nie als Ackerflächen gedacht waren, wie eine Frauengruppe in Concordia, die ein Stück Kirchenland in ein Gemüsebeet verwandelt hat. Andernorts haben sich Nachbar*innen zusammengeschlossen, um einen Gemeinschaftsgarten auf kommunalem Land zu gründen. Was sie alle verbindet: Sie wollen ihre Ernährung selbstbestimmt verbessern.

Obwohl jeden Morgen Lkws tonnenweise Lebensmittel in die Supermärkte bringen, ist jeder Vierte von Ernährungsunsicherheit betroffen. Der Anteil von Kindern unter fünf Jahren, die wegen Nährstoffmangels unter Wachstumsverzögerung leiden, hat sich seit 2000 kaum verbessert.

Die Arbeitslosenquote liegt bei 33,2 Prozent; zählt man jene mit, die die Suche aufgegeben haben, sind es sogar 42,9 Prozent. Rund zwei Drittel der Bevölkerung leben in multidimensionaler Armut, das heißt, ihnen fehlt es neben Einkommen auch an Zugang zu Bildung und öffentlicher Infrastruktur wie Gesundheitsvorsorge. Sehr hohe und insgesamt steigende Lebensmittelpreise belasten diese von Armut betroffenen Haushalte besonders stark. »Das bedroht das Überleben der Familien direkt«, so Parker.

Die Hoffnung auf Unterstützung durch die Regierung haben viele Menschen aufgegeben. Sie berichten dem SPP, dass sich ihre Situation in den vergangenen Jahrzehnten verschlechtert hat. Deswegen ist die Unterstützung von landwirtschaftlicher Selbstorganisation für das Surplus People Project ein wichtiges Ziel: »In Gemeinschaften mit chronischer Ernährungsunsicherheit ist die Idee, die Kontrolle über den Zugang zu Essen zurückzugewinnen, zutiefst ermächtigend«, erklärt Parker.

Das Projekt vermittelt agrarökologisches Wissen in einem mehrstufigen Schulungssystem. Im Train-the-Trainer-Programm werden junge Menschen ausgebildet, die ihr Wissen in praktischen Kursen weitergeben. Die Trainings finden auf insgesamt 15 dafür eingerichteten Demonstrationsflächen in Mamre, Macassar, Citrusdal, De Doorns und Zwelentemba statt.

Reiche Ernte mit agrarökologischen Methoden
Reiche Ernte mit agrarökologischen Methoden

Auf einer dieser Flächen steht Janine Anthony mit einer Seminargruppe. Die Jugendliche erklärt den durchschnittlich deutlich älteren Teilnehmenden, wie sie aus Küchen- und Gartenabfällen Vermikompost herstellen können. Gemeinsam füllen sie die Wurmkiste mit Erde, Karton, zerkleinerten Pflanzenresten und Kompostwürmern. Das Projekt ermöglicht solche Trainings auf den Demonstrationsflächen für 450 Bäuerinnen und Bauern.

Organischer Dünger bietet viele Vorteile

Die Vorteile des organischen Düngers für Bodenstruktur und Pflanzengesundheit beschreibt Janine souverän. Sie ist eine von rund 100 jungen Menschen, die im Rahmen des mehrmonatigen »Train-the-Trainer«-Programms von SPP ausgebildet wurden. Neben agrarökologischen Methoden und Prinzipien werden die Trainer*innen in Methoden zur Vermittlung von Wissen und zur Anregung kollektiver Organisierung und partizipativer Gruppenprozesse geschult.

Doch die Bedingungen für Landwirtschaft werden schwieriger. In den Projektregionen nehmen Hitzewellen, unregelmäßige Regenfälle und Dürren zu. In der Westkap-Provinz lagen die Niederschläge zuletzt rund 30 Prozent unter dem langjährigen Mittel. Die meisten Produzent*innen berichten, dass sie mit wenig Wasser, schlechter Bodenqualität und extremer Witterung zurechtkommen müssen.

In den Trainings auf den Demonstrationsflächen lernen sie, mit agrarökologischen Praktiken diesen schwierigen Bedingungen zu trotzen. Es geht um Techniken wie Tröpfchenbewässerung mit einfachen Mitteln, Mischkulturen zur Schädlingsreduktion und die Herstellung biologischer Düngemittel. Begleitet von Mentor*innen schauen die Gruppen zu, vergleichen Erfahrungen und wenden das Gelernte direkt an. Alle Materialien und Werkzeuge auf den Flächen werden im Rahmen des Projekts bereitgestellt.

Viele Teilnehmende berichten, dass ihre Gärten eine wichtige Quelle für Gemüse geworden sind. Für sie bedeutet der Anbau mehr als Versorgung. Er bringt Würde, Stabilität und neue Handlungsspielräume. »Wenn ich meine Produkte verkaufe, bin ich stolz. Ich zeige anderen, was ich geschafft habe«, sagt Kleinbäuerin Kate Smith. Amanda Watson, ebenfalls Teilnehmerin des Projekts, ergänzt: »Es geht nicht nur darum, dass ich für mich anbaue. Wir wollen ein nachhaltiges Ernährungssystem schaffen.«

Dieses Ziel unterstützt SPP mit verschiedenen Maßnahmen. Dazu gehören Beratungen zu formellen Pachtverträgen, die in Südafrika keineswegs eine Selbstverständlichkeit sind, damit Kleinbäuerinnen und -bauern Planungssicherheit, Zugang zu Land und zu Subventionen bekommen. Weitere Angebote reichen von Schulungen zur Direktvermarktung bis zur Organisation lokaler Märkte. So kommen Produzentinnen und Konsumenten direkt miteinander in Kontakt, und die Abhängigkeit von Supermarktketten sinkt.

Politische Bildung und Kampagnen sind ebenfalls Teil des Projekts, um langfristige Veränderungen anzustoßen. In den Projektgemeinden wachsen so der soziale Zusammenhalt und ein solidarisches Ernährungssystem. Wissen wird geteilt, die Speisekammern werden voller, und das gewonnene Einkommen stärkt nicht nur die Familien, sondern auch die Gemeinden als Ganzes.

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