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Von Eiland zu Eiland: Inselhopping auf den Philippinen
Aus 7641 Inseln bestehen die Philippinen. Per Boot lässt sich diese Traumlandschaft am besten erkunden: Drei Tage Insel-Hopping
Jeder, der eine Reise auf die Philippinen plant, weiß, wie schwer es ist, die Reiseroute festzulegen. In einem Land mit 7641 Inseln ist Organisation alles. Wer zum ersten Mal dorthin reist, kann sich an einer klassischen Dreiecksroute orientieren: von Manila nach Siargao, weiter nach Bohol und schließlich nach Palawan.
Siargao – eine kleine Insel im Südosten – ist das Paradies der Surfer. Sie erinnert an das Bali der 80er Jahre: gemütlich, grün, mit Schotterwegen, Palmenhainen und Lagerfeuern am Strand. Bohol liegt zentral und beherbergt das größte Naturschutzgebiet der Philippinen. Und Palawan, das oft als schönste Region des Landes beschrieben wird, ist das große Finale – mit einer der spektakulärsten Bootsfahrten Südostasiens, quer durch den gleichnamigen Archipel, zwischen El Nido und Coron. Ein Insel-Hopping, das je nach Tour drei Tage oder eine Woche dauert – eine langsame, intensive Art des Reisens. Schnelle Boote würden die Strecke in dreieinhalb Stunden schaffen, doch man würde alles verpassen, was dazwischen passiert.
Ich buche das Drei-Tage-Zwei-Nächte-Paket. Etwa 300 Dollar kostet es, inklusive Mahlzeiten und Übernachtungen in einfachen Basislagern. Am Abend vor der Abfahrt steht das obligatorische Briefing an. Im kleinen Lokal der Bootsgesellschaft Buhay Isla sitzen 22 Reisende an Holztischen: Paare, Freundesgruppen, eine Alleinreisende – alle gespannt. Englisch wird zur gemeinschaftlichen Sprache, charmant brüchig, aber herzlich. Die Crew erklärt, dass wir nur das Nötigste mitnehmen sollen: ein paar T-Shirts, Badehose, Handtuch, Zahnbürste, Sonnencreme. Den Rest verstauen sie im Laderaum. »Was ist mit dem Handy?«, fragt ein Junge aus Norwegen. »Nehmen Sie eine Powerbank mit! Es gibt während der ganzen Fahrt keinen Strom«, sagt eine Mitarbeiterin freundlich und fügt hinzu: »Expect the unexpected!« Ich lächle – das klingt nach Abenteuer.
Am nächsten Morgen, Punkt acht, bringen uns Kleinbusse zum Hafen von San Fernando Roro, etwa 45 Minuten nordöstlich von El Nido. Kein Wölkchen am Himmel, die Sonne brennt auf das ruhige Meer. Der Wetterbericht verspricht ideale Bedingungen. Im Westen der Philippinen wechseln nur zwei Jahreszeiten einander ab: Trockenzeit von November bis April und die regenreiche Zeit danach. Derzeit herrscht Trockenzeit – perfektes Timing.
Unsere Crew lädt das Gepäck auf die »Quadro Queen«, eine orange-weiße Bangka, eins der traditionellen Boote mit Bambusauslegern. Dabei lernen wir unseren Kapitän kennen. Jay-Jay ist klein, drahtig, Mitte 30, trägt seine Kappe verkehrt herum. Er redet schnell und laut, sein Englisch ist einfach, aber voller Energie. Nachdem er uns die Sicherheitsregeln erklärt hat, besteht er darauf, dass wir die Rettungswesten anlegen. »Der Hafenoffizier muss das sehen«, ruft er lachend. »Danach könnt ihr sie gleich wieder ausziehen.« Wir tun, wie uns geheißen. Wenige Minuten später legt das Boot ab, der Motor knattert, die Uferlinie zieht sich langsam zurück. Zehn Seeleute und zwei Köche sind an Bord – uns kann nichts passieren.
Nach einer Stunde erreichen wir Cobra Island. Der Name klingt gefährlich, hat aber mit Schlangen nichts zu tun. Die schmale Sandbank verdankt ihren Namen der Form – aus der Luft soll sie wie eine Kobra aussehen. Die Crew schickt eine Drohne in die Höhe, sie dreht Material für das Erinnerungsvideo, das wir am Ende geschenkt bekommen. Wir schnorcheln durch warmes, glasklares Wasser zum Strand, weil die Bangka nicht direkt anlegen kann.
Der Sand ist schneeweiß, das Meer schimmert türkis, die Sonne sticht. Einige versuchen, ihren Moment auf Instagram zu teilen, bis sie merken: kein Netz. Auch später auf offener See – nirgendwo Empfang. Jay-Jay klärt uns auf: Abseits der Städte El Nido und Coron gibt es keine Netzabdeckung. Viele Inseln seien unbewohnt. »Vor jeder Tour rufe ich kurz zu Hause an«, erzählt er, »danach weiß meine Familie: Ich bin unterwegs.« So bleibt das Telefon in der Tasche – und das Abenteuer wird zur Digital-Detox-Reise. Anfangs ungewohnt, dann befreiend. Drei Tage ohne Internet – wann hat man das zuletzt gehabt?
Nach mehreren Stopps voller Schnorchelpausen, bei denen wir uns zwischen bunten Fischen treiben lassen, erreichen wir am Nachmittag das Dorf Bulawit auf der Insel Lipacan. Der Name des Dorfes prangt in weißen Buchstaben am Berghang – fast wie der berühmte Hollywood-Schriftzug. Der amerikanische Einfluss ist deutlich zu spüren.
Nach 400 Jahren spanischer Herrschaft stand das Land ein halbes Jahrhundert unter US-Besatzung. Die Spuren bleiben – in der Sprache, in der Musik und natürlich im nationalen Lieblingssport: Basketball. Zwei Barangays, so heißen die Kieze in der örtlichen Sprache Tagalog, liefern sich ein Match, während das ganze Dorf zusieht. Kinder jubeln, Musik dröhnt aus Lautsprechern, am Spielfeldrand verkaufen Frauen Snacks.
- Anreise: Die Hauptstadt Manila wird täglich ab München mit Zwischenstopp in Maskat von Oman Air angeflogen.
Wer früh bucht, zahlt für den Hin- und Rückflug etwa 850 Euro. Von Manila
aus erreicht man alle größeren Inseln der Philippinen mit der lokalen Fluglinie Cebu Pacific. Eine frühzeitige Buchung ist sehr zu empfehlen, da die Zahl
der Flüge begrenzt ist und diese schnell ausverkauft sein können.
Für Aufenthalte unter 30 Tagen ist kein Visum erforderlich. Stattdessen muss eine eTravel Card spätestens 72 Stunden vor Abflug online ausgefüllt werden. - Touren: Für Island-Hopping-Touren bietet sich besonders die Firma Buhay Isla Ecotour an. Aufgrund der hohen Nachfrage empfiehlt sich eine frühzeitige Reservierung über deren Website.
www.buhayisla.com
Wer Abstand sucht, findet in den Seitengassen Ruhe. Dort sitzen ältere Damen im Schatten eines Sari-Sari – eines kleinen Kiosks –, trinken Wasser, spielen Karten. Es gibt kaltes Bier, Gebäck und gebrauchte Kleidung. Zwischen alten T-Shirts entdecke ich eines aus einer alten Kik-Kollektion. Verrückt, wo Fast-Fashion überall anlandet.
Kurz vor Sonnenuntergang treffen wir im ersten Basislager ein. Schlichte Bungalows direkt am Strand: eine Matratze, ein Moskitonetz, Süßwasser zum Abspülen von Salz und Sonne – mehr braucht es nicht. Während die Köche das Abendessen vorbereiten, trinken wir philippinischen Rum mit Cola, ohne Eis. Dann landet ein ganzer gegrillter Fisch auf dem Tisch, gefangen von der Crew, dazu Gemüse und Früchte von der Insel, geerntet und frisch gekocht. Das Essen ist einfach, aber unvergleichlich. Die Sonne sinkt hinter die Palmen, die Gespräche klingen leiser, und über dem Meer beginnt der Sternenhimmel zu funkeln.
Am nächsten Morgen weckt Jay-Jay uns mit dem Ton eines Muschelhorns. Zeit zum Frühstück. Es gibt Tapsilog: Tapa (Rindfleisch oder Huhn), Sinagang (gebratener Reis) und Itlog (Ei). Deftig, salzig, sättigend – und nichts für schwache Mägen auf See. Danach geht es ins Wasser: Schnorcheln, Beachvolleyball, Klippenspringen, Tauchen zu einem japanischen Kriegsschiffswrack.
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Zu Mittag essen wir im Dorf Pangaraycayan, zusammen mit den Einheimischen. Kinder spielen im Meer, lachen, klettern auf Boote, während wir mit ihnen Reis und Fisch teilen. Jay-Jay erzählt, dass die Menschen hier bescheiden leben. Wenn Touristengruppen kommen, gibt es Fleisch, sonst nur, was sie selbst anbauen. Cashewkerne sind ihr wichtigstes Gut, in El Nido kosten sie 30 Pesos pro Kilo – kaum 50 Cent. Als wir sagen, dass sie in Deutschland zwanzigmal so teuer sind, lachen sie ungläubig.
Unser letztes Basislager liegt im Süden der Insel Culion. Um dorthin zu gelangen, steigen wir in Kajaks um – Schwimmen ist verboten, denn hier tummeln sich giftige Würfelquallen. Am Abend gibt es ein Abschiedsfest. Die Crew tanzt traditionelle Tänze, später folgt eine Feuershow – schlicht, fröhlich, ganz ohne Touristenkitsch. Dann sitzen wir lange am Strand, hören das Meer, den Wind, das Knistern des Feuers. Drei Tage sind vergangen, als wären es Wochen gewesen.
Am nächsten Morgen brechen wir auf zur letzten Etappe nach Coron. Hinter uns verblasst das Blau des Archipels. Der Wind weht warm über das Deck, das Boot schaukelt sanft. Ich denke an Jay-Jays Lachen, an leuchtende Wasserfarben, an Nächte ohne Strom und an das Gefühl, ganz weit weg zu sein. Während die Sonne langsam steigt, wird mir klar: Wir waren auf dieser Reise keine Touristen. Wir waren Gäste. Und das ist vielleicht das schönste Geschenk, das die Philippinen einem machen können.
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