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Wie Aachen seine Printe feiert
Die Lebkuchen-Spezialität hat Kriege, Knappheit und neue Ideen erfolgreich überstanden
In der Weihnachtsbäckerei gibt es manche Leckerei» – so beginnt das bei Kindern und Erwachsenen populäre Adventslied. Das stimmt auch für die überraschend kleine Backstube von Andreas Klein in Aachen. Unmengen der über die Grenzen der alten Kaiserstadt berühmten Aachener Printen – oder Öcher Prente, wie die Leckerei im lokalen Dialekt heißt – werden von dem Klein-Clan in vierter Generation vor allem in der Weihnachtszeit in reiner Handwerkskunst gebacken.
Das süße Gebäck verkauft Klein in Aachen in zwei eigenen Läden und natürlich auf dem Weihnachtsmarkt im Schatten des mächtigen Doms – der historischen Krönungskirche der deutschen Könige. Und es blüht der Versandhandel des Traditionsgebäcks, natürlich ganz modern auch über einen Onlineshop.
Die Printen von Klein gehen in alle Welt. «Schauen Sie hier», sagt Klein und zeigt auf ein Foto an der Wand eines Lagerraums, in dem kunstvoll gestaltete Versandkisten aus Holz oder auch Metall in vielen Farben und Formen darauf warten, mit Printen gefüllt zu werden. Auf dem Bild ist eine ramponierte Holzkiste mit dem Firmennamen Kleins zu sehen. «Die war in Spitzbergen an die Küste angeschwemmt worden. Ein Deutscher hat das Foto gemacht und uns geschickt», erzählt Klein strahlend.
Aus der Notlösung wurde Tradition.
Nur ein paar Schritte vom karolingischen Dom mit dem Thron Karls des Großen, einem Unesco-Weltkulturerbe, geht es vorbei an einer der ältesten Kaffeeröstereien Deutschlands, «Plum’s Kaffee», in einem Gässchen zum Café «Van den Daele». In den mit dunklem Holz im Stil des «Aachen-Lütticher Barock» getäfelten, verwinkelten historischen Räumen können die Gäste des ältesten Cafés der Stadt umgeben von allerlei Antiquitäten wie historischen Printenbackformen leckerste Köstlichkeiten belgischer Patisserie genießen. Aachen ist ja nur einen Katzensprung von Belgien entfernt.
Der als «Printenbaron» in die Geschichte eingegangene Leo van Daelen gründete 1890 seine Konditorei. Allerdings dürfen heutzutage die Printen des «Van den Daele» seit dem Verkauf des Geschäfts an Alexander Kockartz nicht mehr mit dem Zusatz «Aachener» verkauft werden. Printen sind nämlich als «Geschützte Geografische Angabe» durch die EU ausgezeichnet und dürfen nur so heißen, wenn sie in Aachen und den Nachbarorten Alsdorf, Baesweiler, Eschweiler, Stolberg und Würselen nach traditionellem Rezept hergestellt werden. «Unsere Printen werden in Belgien gebacken und dürfen daher nur Printen heißen», sagt Kockartz. Das tut aber Geschmack und Qualität keinen Abbruch, wie der Biss in die mit dunkler Schokolade überzogene, rumgetränkte Eigenkreation «Beschwippste Printe» beweist.
Aachener Printen unterliegen zudem einer Art Reinheitsgebot. Andreas Klein, der seine Backstube nachmittags für touristische Führungen öffnet, zeigt einen Teller mit den acht erlaubten Zutaten: Zimt, Anis, Zuckersirup, Farinzucker, Koriander, Nelken, dunkles Weizenmehl Type 1050 und Kandiszucker.
Anders als im Lied von der Weihnachtsbäckerei sind für den den Printengrundteig aber keinesfalls Butter, Mehl und Milch zu verrühren. Das macht sie zu einem harten Gebäck: vegan schon zu einer Zeit, in der es noch keine Veganer gab. «Natürlich hat jeder Printenbäcker sein Geheimrezept», sagt Klein und fügt lächelnd hinzu: «Die Grundrezeptur ist zwar gleich, aber das Mischungsverhältnis der Zutaten variiert.»
Die Hartprinten sind für so manches Gebiss eine ziemliche Herausforderung. Zum Glück aber haben sich schon seit Langem auch die Weichprinten etabliert, die selbstredend nach derselben Rezeptur wie die Traditionsprinten hergestellt werden. Einziger Unterschied: Nach dem Backen kommen sie kurz in eine Klimakammer, in der sie Feuchtigkeit aufnehmen und weich werden. Klein erklärt: «Weichprinten sind immer rundherum mit Schokolade ummantelt, damit die Feuchtigkeit im Produkt bleibt.»
Die Geschichte der weltberühmten Öchener Spezialität begann vor mehr als 350 Jahren, als Bronzegießer aus dem belgischen Dinant sogenanntes Gebildbrot mit nach Aachen brachten. Typisch für das «Bilderbrot» waren figürliche Darstellungen, wie man sie heute noch auf Spekulatius oder zur Adventszeit in Bäckereien als Weckmänner findet. Der weiche Teig des Gebildbrots wurde in hölzerne Modeln gedrückt und von diesen «Prenten»-Druckformen hat das Gebäck schließlich seinen Namen erhalten. Für die Bilder wurden ursprünglich religiöse Motive verwendet. Im frühen 19. Jahrhundert bestimmten dann erst französische und dann preußische Soldatenmotive die Printenform. So konnten die Aachener, heißt es, symbolisch den ungeliebten jeweiligen Besatzern den Kopf abbeißen.
Das neuartige Gebildgebäck erweckte seinerzeit bei Aachens Bäckern große Neugier und ließ sie nicht ruhen, bis sie der Rezeptur auf die Schliche gekommen waren. Auslöser für die heutige Rezeptur und Gestalt des Aachener «Nationalgebäcks» war Napoleons Kontinentalsperre gegen Großbritannien und dessen Kolonien. Das schnitt die Aachener Bäcker zwischen 1806 und 1814 von Zuckerimporten ab. Wohl als erster improvisierte damals Henry Lambertz mit Rübenzucker und -sirup, wodurch ein grober, zäher und schwer formbarer Teig ohne Butter, Eier und Milch entstand. Aus der Notlösung wurde Tradition. Statt Printen in Formen zu pressen, wurde der Teig zu flachen Platten gewalzt und dann in mundgerechte Stücke gebrochen oder geschnitten. Das erlaubte eine fabrikmäßige Produktion. Lambertz avancierte Ende des 19. Jahrhunderts gar zum Hoflieferanten der Königshäuser in Preußen, Belgien und den Niederlanden.
Auf der Strecke blieben durch die Printenproduktion im großen Stil aber die Printenfiguren des Gebildbrots. Das bedeutet aber nicht, dass Printen einfach nur stumpfbraun und langweilig aussehen. Im Gegenteil. Die einfach nur braunen Traditionsprinten wird mit einem geschmacksneutralen «Lack» aus geröstetem Kartoffelmehl und Wasser Glanz verliehen. Andere werden mit Haselnüssen und Mandeln belegt, mit Schokolade oder Zuckerguss überzogen. Heutzutage kommen sie auch zeitgeistig als Konfekt daher. Klein hat den «Printillo» kreiert. «Das sind leicht zerbrechliche Hartprinten und somit ein herrlicher Knabberspass», erklärt der findige Bäcker.
In der Adventszeit ist die Printe im Öchener Stadtbild allgegenwärtig. Vor dem historischen Rathaus schaut eine gigantische Printenfigur auf den vor allem bei Belgiern und Niederländern beliebten Weihnachtsmarkt, auf dem Printenstände mindestens so häufig wie Bratwurstbuden sind. In den das ganze Jahr geöffneten Geschäften bekannter Printenhersteller wie Klein oder Nobis geben sich Touristen die Klinke in die Hand. In den Restaurants wie dem erstmals 1438 urkundlich erwähnten «Goldener Schwan» ist «Aachener Sauerbraten mit Printen-Rosinen-Sauce» der Renner.
Bäcker Klein schwärmt von seinem «Printen-Tiramisu» aus Kräuterprinten, Quark, Mascarpone, Zucker, Äpfeln und Kaffee. Dazu noch einen Schuss Amaretto und Kakaopulver, Zimt und Printengewürzmehl. Fertig ist eine Leckerei, die dank Quark und Mascarpone auch für so manche Kleckerei gut ist.
- Anreise: ICE/IC bis Aachen Hbf, ca. 10 Min. zu Altstadt/Dom; Auto über A4 aus Köln.
- Führungen: Printenführung bei Klein (printen.de), Stadtführungen über Aachen Tourismus (aachen-tourismus.de)
- Weihnachtsmarkt: aachenweihnachtsmarkt.de
- Umland: Lüttich (ICE 20 Min.), Maastricht (ca. 60 Min.); Eifel & Hohes Venn.
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