Berlin: Eine grüne Mauer um den Weißen See

Sanierung soll den Weißen See vor Wildschwimmern und Hunden schützen

  • Leonie Hertig
  • Lesedauer: 5 Min.
Auf Tuchfühlung mit dem Wasser soll man am Weißen See künftig nur noch auf zwei neuen Plattformen und im Strandbad gehen.
Auf Tuchfühlung mit dem Wasser soll man am Weißen See künftig nur noch auf zwei neuen Plattformen und im Strandbad gehen.

Ach, der Weiße See. Wo sonst kann man in Berlin von der Haltestelle aus innerhalb weniger Minuten ins kühle Nass springen? Ja, es gibt mit dem »Strandbad Weißensee« eine offizielle Badestätte – aber warum Geld bezahlen, wenn man wild baden kann? Am Weißen See, wo man in den heißen Sommermonaten direkt am Wasser im Gras liegt und Hundebesitzer ihre Tiere im Unterholz schnüffeln lassen können, ohne in den Grunewald fahren zu müssen.

Doch diese Liebe hinterlässt Spuren. In Form von Trampelpfaden, offenliegenden Böden, ins Nichts ragenden Baumwurzeln und gestörten Wasservögeln. Seit Mitte Oktober laufen deshalb umfassende Baumaßnahmen. Einerseits sollen die stark belasteten Uferbereiche erneuert und Besucher*innen künftig vom Wildbaden abgehalten werden. Andererseits werden auch die für Parkgäste vorgesehenen Flächen erneuert und zum Teil erweitert.

»Die größte Fehlnutzung im Park am Weißen See stellt das Wildbaden dar«, sagt Tobias Schubart von der Pressestelle des Bezirksamtes Pankow zu »nd«. Besonders in den Sommermonaten führe das Baden außerhalb des Strandbades zu »Schäden an der Ufervegetation und zu Störungen der Gewässerfauna«. Daher sei es die zentrale Herausforderung bei den Planungen zur Ufersicherung gewesen, einen »angemessenen Ausgleich zwischen den Belangen des Naturschutzes und den Nutzungsinteressen der Parkbesucher zu finden«, so Schubart.

Aufgrund fehlender finanzieller Mittel verschlechterte sich der Zustand des Parks zudem über Jahre. Auf den Wegen müssen Besucher*innen bei Regen riesige Pfützen umschiffen. Pflanzflächen verkrauteten, die Ausstattung nahm Schaden. Endlich konnte das Gesamtprojekt durch Fördergelder des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung ermöglicht werden. 1,7 Millionen Euro stehen zur Verfügung. Davon sollen 600 000 Euro für den barrierefreien Zugang von der ÖPNV-Haltestelle zum See genutzt werden.

»Das Bezirksamt hofft, dass durch die Sanierung eine Verhaltensänderung stattfinden wird und ein Umdenken erfolgt. Der Park ist für die Menschen – der Uferbereich ein schützenswerter Bereich«, sagt Sandra Schneider. Die Stadt- und Regionalentwicklerin des Büros Blau ist für den Dialog mit den Anwohner*innen verantwortlich. Sie führte Interviews und Parkwerkstätten durch, um mit den Bürger*innen ins Gespräch zu kommen. »Der See und der Uferbereich leiden unter den Menschenmassen und den zunehmenden Folgen des Klimawandels«, sagt Schneider. Der Uferbereich müsse saniert werden.

Um den Zustand des Sees selbst zu verbessern, soll der Boden vor Erosion geschützt werden. Das soll die Wasserqualität verbessern und den ökologischen Zustand des Sees und des Ufers aufwerten.

»Die größte Fehlnutzung im Park am Weißen See stellt das Wildbaden dar.«

Bezirksamt Pankow

Zwei Geheimwaffen für den Erfolg des Projektes sind das Schilfröhricht und die Benjeshecke. Das Schilfröhricht stabilisiert die Uferlinie und verhindert so Erosion. Zusätzlich bietet es einen wichtigen Lebensraum für Tiere. So können Vögel im Röhricht Nester bauen, Frösche und Kröten dort ablaichen. Die Rolle von Röhricht erkennt auch das Land Berlin und strebt an, ein Drittel der Uferflächen von Spree-, Dahme- und Havelseen mit Röhricht zu versehen und bestehendes zu erhalten.

In Weißensee soll auf der trockenen Seite des Ufers die sogenannte Benjeshecke Lebensraum für Tiere bieten. Zugleich soll sie Besucher*innen davon abhalten, ans Ufer zu gelangen und es zu beschädigen. Eine Benjeshecke besteht aus dünnen Zweigen und Ästen, die zwischen Pfosten gestapelt werden. Am Weißen See soll die Barriere so 1,20 Meter hoch werden. Das Ufer selbst soll durch große Massen an Steinen und Sand aufgefüllt werden, um ökologisch wertvolle Flachwasserbereiche zu schaffen.

»Diese Sanierung hat Nutzungseinschränkungen zur Folge. Was können wir stattdessen anbieten?«, formuliert Stadtplanerin Schneider eine der Leitfragen, die die Sanierung begleiten. Denn um eine Übernutzung und Schädigung des Sees durch Besucher*innen zu vermeiden, müssten alternative Aufenthaltsbereiche angelegt werden. Zwei Plattformen, die in den See hineinragen, sollen zusätzlich ermöglichen, sich nah am Wasser aufzuhalten, ohne das Ufer zu betreten.

»Mit der Fertigstellung der wasserbaulichen Maßnahmen« wird laut Tobias Schubart vom Bezirksamt Pankow »in der nächsten Jahreshälfte gerechnet«. Ursprünglich war geplant, dass die Maßnahmen bis Ende 2025 abgeschlossen sind. Jedoch hatte sich der Baustart durch verspätetes Eintreffen der Gelder verzögert.

Neben den Ufermaßnahmen ist eigentlich noch geplant, die Wege zu sanieren, die Beleuchtung zu erneuern und andere Parkecken attraktiver für Besucher*innen zu gestalten. Allerdings könnten angesichts »noch zu klärender finanzieller Rahmenbedingungen derzeit keine konkreten Zeitangaben für diese Maßnahmen gemacht werden«, erklärt Schubart.

Bereits jetzt könne hingegen beobachtet werden, wie neugierige Vögel neu geschaffene Bereiche in Besitz nehmen und Wasservögel in Ruhe paddeln oder schlafen, ohne von Hunden aufgescheucht zu werden, sagt Schubart.

Die Reaktionen der Besucher*innen auf die Entwicklung sind gemischt. Laut Schubart sei das »im Zusammenhang mit baulichen Veränderungen in einer so bedeutenden Grünanlage erwartbar«. Auf der Website mein.berlin.de, wo Bürger*innen die Pläne kommentieren und Ideen einbringen können, wünschen sich viele Menschen weiterhin die Möglichkeit, schwimmen zu gehen, auch außerhalb der Öffnungszeiten des Strandbads. Andere begrüßen die Pläne und erkennen an, dass sich angesichts der Strapazen für die Natur und deren Übernutzung etwas ändern muss.

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