Berlin: Wasserversorgung noch stabil, Natur nicht

Wenn weniger Wasser in die Spree fließt, müssen in Berlin die Klärwerke fit sein

Die Spree: beliebter Freizeitort mit wichtiger Funktion für die Berliner Wasserversorgung und Artenvielfalt
Die Spree: beliebter Freizeitort mit wichtiger Funktion für die Berliner Wasserversorgung und Artenvielfalt

Die Klimakrise und der Kohleausstieg werden dazu führen, dass weniger Wasser in die Spree fließen wird – und damit auch weniger in der Hauptstadt ankommt. Doch um wie viel Wasser es genau geht, weiß noch niemand. Das zeigt die bislang unveröffentlichte Antwort des Senats auf eine schriftliche Anfrage der Sprecherin für Gewässerschutz der Grünen-Fraktion, June Tomiak.

Bislang lägen »keine aktuellen abgestimmten Ergebnisse zu zukünftigen Zuflüssen der Spree« vor, heißt es vom Senat. Fest steht, dass bis jetzt ein erheblicher Teil des Wassers der Spree aus dem Kohleabbau in der Lausitz kommt. Dort wird es aus dem Boden gepumpt, um Tagebaue zu entwässern. Der Kohleausstieg sorgt auch aus anderen Gründen für weniger Spreewasser: Die Tagebauseen aus alten Kohlegruben, wie der Cottbuser Ostsee, werden aus dem Fluss gefüllt. »Es kann von einer Verringerung der Wasserführung der Spree ausgegangen werden, deren Ausmaß vor allem je nach angenommenem Klimaszenario variiert«, sagt der Senat.

Keine Sorge ums Trinkwasser

Die Grünen-Politikerin Tomiak wollte wissen, welche Auswirkungen die verringerten Zuflüsse in die Spree auf das Wasser in Berlin haben. Bislang arbeitet der Senat mit dem Masterplan Wasser aus dem Jahr 2022. Dort heißt es, die Situation sei bereits angespannt und verschärfe sich »mit geringeren Zuflüssen und wachsenden Trinkwasserbedarfen.« Im Masterplan sind deshalb zahlreiche Maßnahmen beschrieben, um dem entgegenzuwirken: etwa eine Optimierung der Nutzung des Wassers, die Wiederinbetriebnahme von Wasserwerken und die bessere Bewirtschaftung von Regenwasser.

Aber hat der Wassermangel Auswirkungen auf die Versorgung mit Trinkwasser für die Hauptstadt? Schließlich beziehen die Berliner*innen ihr Trinkwasser zum Großteil aus dem Grundwasser am Spreeufer, und die Menge des vorhandenen Grundwassers ist auch von der Menge des Wassers in der Spree abhängig. Die Berliner Wasserbetriebe zeigen sich zuversichtlich. »Es wird erwartet, dass trotz der zurückgehenden Abflüsse in der Spree der Wasserstand in den Staustufen der Spree und der Unteren Havel gehalten werden kann«, sagen sie in der Senatsantwort. Das bedeute, der Wasserstand, der für die Trinkwassergewinnung aus Uferfiltrat notwendig ist, könne gehalten werden, sagt Wasserbetriebe-Sprecherin Astrid Hackenesch-Rump zu »nd«.

Herausfordernder als die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung ist laut Hackenesch-Rump, das Abwasser besser zu reinigen. Denn ein Großteil des Trinkwassers, das von den Wasserbetrieben entnommenen wird, wird nach der Nutzung und Reinigung wieder in die Stadtgewässer eingeleitet. »Bei sinkenden Flusswassermengen erhöht sich der Anteil gereinigten Abwassers in den Oberflächengewässern«, sagt die Wasserbetriebe-Sprecherin. Daraus resultiert eine höhere Konzentration von Spurenstoffen, zum Beispiel aus Arzneimittelrückständen im Wasser. Um das zu vermeiden, werden die Klärwerke der Hauptstadt ausgebaut. Bis 2036 sollen alle eine vierte Reinigungsstufe erhalten, um Spurenstoffe aus dem Wasser zu filtern.

Rückgang der Artenvielfalt erwartet

Sollte die Zuversicht gerechtfertigt und die Berliner Trinkwasserversorgung gesichert sein, dann wird damit wohl die größte Sorge für die Menschen der Stadt verpuffen. Doch für die Tiere und Pflanzen könnte die Lage eine andere sein. Laut Umweltverwaltung gehe mit der erwarteten reduzierten Wasserführung der Spree auch die Biodiversität im Fluss zurück. Bei Fischen, der Wirbellosen-Fauna und den Wasserpflanzen würden flusstypische, strömungsliebende Arten zugunsten von Stillwasserarten abnehmen, so die Senatsumweltverwaltung in der Antwort auf die Anfrage Tomiaks.

Auch in den Fluss-Seen von Spree und Dahme werde die verringerte Menge an Wasser in der Spree negative Auswirkungen auf die Lebewesen haben. Durch die Klimakrise steigen die Wassertemperaturen und durch den Rückgang an Zuflüssen in die Spree verringert sich der Wasseraustausch. Das führe zu »Sauerstoffmangelerscheinungen über dem Seeboden und damit zu Nährstoffrücklösungen und Verarmung der Artendiversität«, sagt der Senat. »Die Erreichung eines stabilen guten ökologischen Zustands für alle untersuchten Biokomponenten (aquatische Flora und Fauna) gemäß der EU-Wasserrahmenrichtlinie« sei nicht zu erwarten.

Grünen-Politikerin June Tomiak ist darüber überhaupt nicht glücklich. »Das würde gegen EU-Recht verstoßen. Dass der Senat hier einfach kapituliert, ist ein Armutszeugnis«, teilt sie auf nd-Anfrage mit. Darüber hinaus hält sie die bislang entwickelten Maßnahmen des Senats zur Kompensation der verringerten Fließwassermenge in der Spree zwar für richtig, aber nicht ausreichend. »Unser Wasserhaushalt ist fragil und wir müssen ihn nicht nur schützen, wir müssen ihn aktiv verbessern«, sagt Tomiak.

Mehr Schwammstadt und Auen

Besonders bei der Umsetzung von Schwammstadt-Prinzipien und der Renaturierung von Auen und Gewässern müsse deutlich mehr passieren, so die Grünen-Politikerin. »Berlin verfolgt grundsätzlich den Ansatz, Maßnahmen im Sinne der Schwammstadt in Zukunft auszubauen«, heißt es vom Senat. Schwammstadt beschreibt das Konzept, dass das anfallende Regenwasser lokal aufgefangen und genutzt wird. So soll es etwa durch entsiegelte und begrünte Flächen dem Grundwasser und dem Stadtgrün zugutekommen, anstatt von versiegelten Flächen in die Fließgewässer abgeleitet zu werden und damit vor Ort verlorenzugehen. Der Umbau der Stadt gemäß diesem Prinzip ist eine große Herausforderung – gerade in der dicht bebauten und stark versiegelten Innenstadt.

Auch Auen, also naturnahe Uferlandschaften, tragen dazu bei, das Wasser, das durch Berlin fließt, vor Ort zu halten. »An den Nebengewässern der Spree (Wuhle, Erpe) sowie der Müggelspree werden nach Möglichkeit Auenrelikte wieder angeschlossen beziehungsweise Ersatzauen geschaffen«, so die Umweltverwaltung. Allerdings sei dies »aufgrund der vorhandenen Nutzungen« nur »in geringem Umfang« möglich.

Um zu ermitteln, wie viel Spreewasser in Zukunft fehlen wird, arbeiten die Länder Sachsen, Brandenburg und Berlin zusammen. In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe soll ein bereits bestehendes Modell zur Wasserwirtschaftsbilanz mit aktualisierten Daten und Klimakomponenten weiterentwickelt werden. So sollen »belastbare Aussagen zur zukünftigen Wasserversorgung der Spree – insbesondere ab dem Jahr 2038« ermöglicht werden. Mit ersten Ergebnissen rechnet der Senat 2027. Außerdem prüfen die Länder Speichermöglichkeiten und Wasserüberleitungen aus Oder, Neiße und Elbe.

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