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Das Glücksrad ist blockiert

Großbritannien wird nun voll von der Immobilienkrise erfasst

  • Axel Reiserer, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Häuserpreise in Großbritannien haben nach Jahren des Höhenflugs zu fallen begonnen. Damit bricht eine Stütze des Konsums weg.

Der britische Traum vom Eigenheim als Geldmaschine ist ausgeträumt. »Was hochgeht, muss herunterkommen«, sang die Gruppe Blood, Sweat and Tears vor Jahren in ihrem Song »Spinning Wheel«. Mittlerweile aber ist die britische Wirtschaft kein Spinnrad mehr, auf dem Gold gesponnen wird, sondern ein Glücksrad, bei dem sehr viele in Gefahr sind, sehr viel zu verlieren.

Die Bausparkasse HBOS meldete dieser Tage den tiefsten Fall der Hauspreise seit September 1992. Die Immobilienpreise sanken im März im Landesdurchschnitt um 2,5 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahresmonat waren die Preise zwar um 1,1 Prozent höher, doch dies war der schwächste Zuwachs seit zwölf Jahren. Und die Prognosen sind richtig schlecht: »Wir erwarten einen Rückgang um sieben Prozent im Jahr 2008 und um acht Prozent 2009«, heißt es von der Beratungsfirma Global Insight. »Diese Daten zeigen, dass die globale Finanzkrise nun voll auf unseren Immobilienmarkt durchschlägt«, meint Nick Bate von der Investmentbank Merill Lynch UK.

Über fast 20 Jahre waren die britischen Hauspreise scheinbar grenzenlos nach oben geschossen. Allein in den vergangenen zehn Jahren betrug der Zuwachs nach Angaben von Halifax, dem Marktführer unter den Hypothekenbanken, satte 171 Prozent. Mit dem steigenden Wert ihrer Immobilien finanzierten die Briten seit Jahren einen Gutteil ihrer Konsumausgaben, das Konjunkturrad konnte sich gar nicht schnell genug drehen. Damit ist es nun vorbei. Mehr als 70 000 Häuser im ganzen Land drohen schon in den kommenden Wochen unter ihren Kaufpreis abzurutschen. Auf derartiges Eigentum gibt keine Bank mehr Kredit.

Die Briten sind aber privat mit mehr als 1,4 Billionen Pfund verschuldet, ihr Kredithunger ist unstillbar. Erleichterung erhoffen sich nun viele von der Bank of England. In der vergangenen Woche senkte die Notenbank zum dritten Mal seit Dezember 2007 den Leitzins – um 0,25 Punkte auf 5,00 Prozent.

Indes schränken die Bausparkassen eine nach der anderen ihr Hypothekenangebot dramatisch ein. Zuletzt kündigte Abbey National an, keine Hypotheken mehr an Kunden zu vergeben, die nicht mindestens über fünf Prozent Eigenkapital verfügen.

Was für kontinentaleuropäische Verhältnisse immer noch gering erscheint, illustriert, wie überhitzt der britische Markt war: Viele Jahre konkurrierten die Banken beinhart um Kunden – Kredite gab es auch ohne Eigenkapital und sonstige Sicherheiten. Man vertraute einfach auf die immer weiter steigenden Hauspreise.

Am schlimmsten von der Krise betroffen sind ärmere Gegenden. Und gerade die Ärmeren werden auch von einer Reform der Einkommensteuer getroffen: Weil hier der Eingangssatz von 10 auf 20 Prozent steigen soll, erleiden 5,3 Millionen Menschen mit den geringsten Einkommen finanzielle Verluste. Die Maßnahme war von Premierminister Gordon Brown selbst in seinem letzten Budget als Schatzkanzler vor mehr als einem Jahr angekündigt worden.

Die Folgen für die Armen wurden offenbar nicht bedacht. Die politischen Aktien der Regierung Brown fallen mittlerweile noch schneller als die Hauspreise.

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