Mexikos Sozialdemokraten erhalten Zuwachs

Ehemalige Staatspartei PRI lässt radikale Terminologie hinter sich

  • Gerold Schmidt, Mexiko-Stadt
  • Lesedauer: 3 Min.
Mexikos ehemalige Quasi-Staatspartei, die Revolutionäre Institutionelle Partei (PRI), ist seit ein paar Tagen sozialdemokratisch.

Mit Revolution hatte die Revolutionäre Institutionelle Partei (PRI) schon lange nichts mehr zu schaffen. Nun hat die PRI daraus Konsequenzen gezogen: Auf ihrem in der Stadt Aguascalientes abgehaltenen 20. Bundesparteitag nahm sie offiziell Abschied von ihrer in der Praxis seit Jahrzehnten widerlegten alten Prinzipienerklärung, die sich noch auf die mexikanische Revolution (1910-1917) als Hauptquell der Parteiideologie stützte.

Nach den Worten der Parteivorsitzenden Beatriz Paredes will die PRI künftig für die »Freiheit des Marktes mit verantwortlicher Ausübung des Sozial- und Rechtsstaates« sowie die »nationale Souveränität« eintreten. Auf dem Parteitag gab es ein Bekenntnis zur »sozialdemokratischen Strömung der zeitgenössischen politischen Parteien«.

Die Abstimmung über den ideologischen Kurswechsel erinnerte an die sieben Jahrzehnte (1929-2000), in denen die PRI nahezu unumschränkt das Land beherrschte und bei Regionalwahlen manches Mal wesentlich mehr Stimmen verbuchte als potenzielle Urnengänger im Wahlregister eingetragen waren. Mehr als 4000 Delegierte votierten ohne jegliche Diskussion in einer 25-minütigen Prozedur einstimmig dafür, die zum Teil radikale Terminologie aus den Zeiten der mexikanischen Revolution hinter sich zu lassen.

In einem zweimonatigen Vorbereitungsprozess auf Ebene der einzelnen Bundesstaaten hatte die Parteiführung den Parteitag perfekt vorbereitet. Beobachter werten den reibungslosen Ablauf als großen Sieg für die Vorsitzende Paredes, die bisher nicht über eine nennenswerte eigene Hausmacht in der Partei verfügte.

Die Entscheidung und ihr Zeitpunkt sind strategisch gut gewählt. Bei den umstrittenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen von 2006 landete die PRI hinter der regierenden konservativen Partei der Nationalen Aktion (PAN) und der linksmoderaten Partei der Revolution (PRD) nur noch auf dem dritten Platz der Wählergunst. Nun wittert die Partei die Chance zur baldigen Rückkehr an die Macht.

Nachdem die PRI lange Zeit als Synonym für Korruption und die Unterdrückung oppositioneller Bestrebungen vor allem von links stand, versucht sie nun ein neues Image aufzubauen. Sie will sich als vernünftige und verantwortungsbewusste – sprich verhandlungsbereit gegenüber der Regierung – Opposition präsentieren.

Das Kalkül ist klar: Die Massenmobilisierungen und Straßenblockaden der PRD gegen die Wahlmanipulationen in 2006 haben einen Teil der Mittelschicht verschreckt. Die Gräben innerhalb der PRD zwischen den Anhängern des damaligen Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador und den gegenüber der Rechten wesentlich konfliktscheueren Parteisektoren vertiefen sich zusehends. Das hat zuletzt eine fatale Außenwirkung gehabt. Auf der anderen Seite erschöpfen sich die Law-and-Order-Politik und der neoliberale Kurs der Regierung, weil die Erfolge im krassen Gegensatz zum schönfärbenden Diskurs stehen. So könnte die PRI tatsächlich der große Profiteur sein.

Allerdings sind die Widersprüche in der PRI selbst nicht klein. Die politische Linie von Paredes verfolgt paradoxerweise einen Kurs, der von den immer mehr zum Neoliberalismus konvertierten Vorgänger-Parteiführungen abweicht. Die meisten politischen Schwergewichte in der PRI dürften aber wirtschaftspolitisch der neoliberalen PAN nahestehen. Ein Widerspruch zur Linie der sozialdemokratischen »zeitgenössischen Parteien« wäre jedoch auch dies nicht.

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