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Die zweite Ermordung des Pio La Torre

Nur ein Jahr trug der Flughafen im sizilianischen Comiso den Namen des italienischen Kommunisten

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.
In Sizilien ist der Flugplatz von Comiso umbenannt worden, der Pio La Torre gewidmet war. La Torre war ein kommunistischer Politiker, der 1982 von der Mafia erschossen wurde. Nach einem Beschluss des Stadtrates trägt der Flughafen jetzt den Namen eines faschistischen Luftwaffengenerals, der unter Mussolini kämpfte.

Das erste Mal wurde Pio La Torre am 30. April 1982 ermordet. Zusammen mit seinem Mitarbeiter Rosario di Salvo war der 55-jährige Politiker in Palermo auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz. Der Abgeordnete der PCI, der Italienischen Kommunistischen Partei, war damals für die Organisation seiner Partei in Sizilien verantwortlich. Plötzlich näherten sich zwei Motorräder seinem Wagen: Es wurden insgesamt zehn Schüsse abgegeben und sowohl La Torre wie di Salvo wurden tödlich getroffen. Zwar gab es das Bekennerschreiben einer linken terroristischen Organisation, aber allen war klar, dass die Mörder Pio La Torres anderswo zu suchen waren.

Sein ganzes Leben lang hatte der Sohn sizilianischer Landarbeiter gegen die Mafia gekämpft: Erst in Sizilien, dann auf nationaler Ebene in Rom und schließlich wieder in der Heimat. Auch ihm ist ein Gesetz zu verdanken, das »kriminelle Vereinigung mafiöser Art« als Straftatbestand festlegt. So wurde es endlich möglich, die Mafia-Angehörigen nicht nur aufgrund bestimmter Verbrechen wie Drogen- oder Waffenhandel zu verurteilen, sondern allein aufgrund der Tatsache, dass sie zu einer kriminellen Organisation, eben der Mafia, gehörten. Nur so konnte man an die Bosse herankommen, die sich kaum selber die Hände mit konkreten Verbrechen schmutzig machten.

Pio La Torre hatte noch an einem anderen Gesetz gearbeitet, das allerdings erst sehr viel später verabschiedet wurde: Es schafft die Möglichkeit, die Besitztümer der Mafiosi zu beschlagnahmen und gemeinnützigen Projekten zur Verfügung zu stellen. In den 90er Jahren erklärte ein Kronzeuge, dass der Mord an La Torre gerade aus diesem Grund vom damaligen »Boss der Bosse« Totò Riina beschlossen worden war.

Der kommunistische Parlamentarier war aber noch an einer anderen Front aktiv: Er kämpfte für die Schließung des Militärflughafens von Comiso, mitten in Sizilien gelegen. Dieser sei, so sagte er immer wieder, eine Bedrohung für den Frieden im gesamten Mittelmeerraum. Der Kampf gegen diese Militärbasis wurde ein wichtiger Faktor in der italienischen Friedensbewegung Ende der 70er Jahre. Pio La Torre war seiner Zeit aber offensichtlich weit voraus. Erst letztes Jahr, genau 25 Jahre nach seiner – ersten – Ermordung, wurde der Zivilflughafen von Comiso, der ein Motor für die Entwicklung des sizilianischen Binnenlandes sein sollte, feierlich eingeweiht.

Mit seiner neuen Funktion erhielt der ehemalige Militärflughafen auch einen neuen Namen: »Aeroporto Pio La Torre«. Und nun kommt der zweite Mord an Pio La Torre. Dieser ereignete sich in den letzten Tagen. Der gerade erst neu gewählte Bürgermeister des Städtchens, der Neofaschist Giuseppe Alfano, gab bekannt, dass er einem wichtigen Wahlversprechen nachgekommen sei: Der Flughafen heißt jetzt nicht mehr »Pio La Torre«. Man sei zu dem ursprünglichen Namen zurückgekehrt, dem des Luftwaffengenerals Vincenzo Magliocco, der 1936 im faschistischen Kolonialkrieg in Äthiopien gefallen war. Damals hatte der General von Mussolini posthum eine Ehrenmedaille erhalten, weil er – so heißt es in der offiziellen Begründung – »stolz darauf war, zu den Pionieren des imperialen Italiens zu gehören«, weil er »die Herrschaft Roms über noch nicht besetzte und entlegene Gegenden sichern wollte«, und weiter in diesem Stil. Diesem »Helden« ist der Flughafen von Comiso jetzt wieder gewidmet – und nicht mehr Pio La Torre, dem pazifistischen Kommunisten, der von der Mafia ermordet wurde.

Die Begründung des Bürgermeisters ist entwaffnend: Er habe nichts gegen La Torre, dessen Erinnerung man ehren solle, aber er habe sich unter seinen Bürgern umgehört, und bei denen habe der Name eben nicht sehr viel Anklang gefunden.

Anna Finocchiaro, auch Sizilianerin und Fraktionsvorsitzende der Demokratischen Partei im Senat, kommentierte diese Entscheidung folgendermaßen: »Ich halte diese Namensänderung für eine Beleidigung gegenüber den Sizilianern. Den Namen von einem Menschen wie Pio La Torre, der von der Mafia ermordet wurde und nicht eine bestimmte politische Partei, sondern den besten Teil der sizilianischen Gesellschaft repräsentiert, auslöschen zu wollen, ist eine frevelhafte und schändliche Entscheidung.«

Claudio Fava, dessen Vater ebenfalls von der Mafia erschossen wurde und der heute im Europäischen Parlament sitzt, sagte: »Wenn der Bürgermeister von Comiso seiner Stadt die Erinnerung an Pio La Torre nehmen will, dann denkt er wie ein Mafioso. Diese Entscheidung hat die symbolische Kraft eines Mafiamordes.« Und Pippo di Giacomo, Bürgermeister von Comiso, als der Flughafen Pio La Torre gewidmet wurde: »Ich schäme mich dafür, Sizilianer zu sein. Ich schäme mich ohne Wenn und Aber. Pio ist zum zweiten Mal ermordet worden«.

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