»Parlamente brauchen Druck der Straße«

Petition zu politischem Streik findet breites Echo und facht Diskussion neu an

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Die vom Wiesbadener IG BAU-Sekretär beim Bundestag eingereichte Petition für ein Recht auf politischen Streik findet breite Unterstützung. Seinem Ziel ist der Gewerkschafter dadurch ein Stück näher gekommen: Es wird wieder mehr über das in Deutschland faktisch verbotene Kampfmittel diskutiert.

Das hätte sich Veit Wilhelmy nicht träumen lassen. Erst vor wenigen Wochen hatte er beim Bundestag eine Petition für das Recht auf politischen Streik eingereicht. Seit dem 14. Oktober steht der Text auf der Website des Parlaments und das Echo ist stark: Am Montag wurde bereits die Marke von 1000 Unterschriften durchbrochen. Damit sticht Wilhelmys Begehren klar alle anderen 44 eingereichten und veröffentlichten Petitionen aus.

Wilhelmy hatte im Frühjahr eine Textsammlung zum politischen Streik in Buchform herausgegeben und ist hierzu als Referent gefragt. Der Gewerkschafetr bemängelt, dass im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern der politische Demonstrationsstreik hierzulande nicht durch Verfassung oder Gesetz geregelt sei. Das faktische Verbot sei allerdings nicht einmal gesetzlich verankert, sondern gründe sich auf eine »veraltete Rechtsprechung«. Ausgangspunkt hierfür waren Beschlüsse von Landesarbeitsgerichten gegen einen Zeitungsstreik in den frühen 1950er Jahren aus Protest gegen die Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes. Dass sich diese Rechtsprechung bis zum heutigen Tage fortsetze und in Deutschland lediglich Streiks für Tarifverträge erlaubt seien, betrachtet Wilhelmy als Verstoß gegen das Grundgesetz. Wie in anderen Ländern müsse den Gewerkschaften auch das Recht zustehen, etwa gegen Hartz-Gesetze oder die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre zu streiken.

Nach dem Ende der Zeichnungsfrist, die noch bis zum 26. November läuft, muss sich der Petitionsausschuss mit Wilhelmys Vorlage beschäftigen. Dass sein Anliegen eine Mehrheit im »Hohen Hause« finden wird, erwartet er nicht. Er ist sich aber sicher, dass die dadurch angefachte politische Diskussion Kreise ziehen wird.

Dafür spricht ein Blick auf das Petitions-Diskussionsforum der Bundestags-Website. »Das Recht auf den politischen Streik wird uns sicherlich nicht gönnerhaft von oben geschenkt – weder durch Juristen noch durch wohlmeinende Parlamentarier«, erklärt etwa Wolfgang Huste: »Dieses elementare Recht müssen wir uns außerparlamentarisch erkämpfen – und zwar täglich und überall!« Ein anderer Unterstützer der Petition, der »mehr Mut in der täglichen Auseinandersetzung« fordert, gibt zu bedenken: »Wir dürfen aber bitte nicht darauf warten, dass es mal ein Gesetz zur Durchführung der Revolution gibt.« Und Friedrich Elgert von der Offenbacher LINKEN betont: »Parlamente brauchen den Druck der Straße, den Aufschrei der Bevölkerung. Protest und Widerstand ist gefordert.«

Zur Unterstützung von Wilhelmys Petiton hat auch die ver.di-Jugend aufgerufen. Dies deckt sich mit einem Beschluss des ver.di-Bundeskongresses 2007, der den Bundesvorstand aufforderte, sich für ein allumfassendes Streikrecht einschließlich des politischen Streiks und des Generalstreiks einzusetzen. Dies deckt sich mit einem Beschluss des ver.di- Bundeskongresses 2007, der den Bundesvorstand aufforderte, sich für ein allumfassendes Streikrecht einschließlich des politischen Streiks und des Generalstreiks einzusetzen.

Ver.di-Sprecherin Martina Sönnichsen bestätigte am Donnerstag auf ND-Anfrage, dass sich ihre Organisation weiter dafür einsetzt, »dass Streiks auch über tariffähige Ziele hinaus zulässig sind«.

https://epetitionen.bundestag.de/

jugend.verdi.de

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal