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Keine Abkehr von DB-Privatisierung

Bahnvorstand umwirbt weiter Investoren / Politik gibt widersprüchliche Signale

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit der vorläufigen Absage des Bahnbörsengangs sind die Ursachen der Probleme des staatseigenen Konzerns nicht gelöst.

Kommt die Deutsche Bahn (DB) doch noch an die Börse? Auch nach der jüngsten Ankündigung der Bundesminister Peer Steinbrück und Wolfgang Tiefensee (beide SPD), auf den geplanten Bahnbörsengang bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2009 zu verzichten, sorgen widersprüchliche Meldungen für Unklarheit. So erklärte Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU), bei einer Verbesserung der Lage an den Finanzmärkten »könnte der Börsengang noch in dieser Legislaturperiode stattfinden«. Ähnlich äußerte sich der CDU-Verkehrspolitiker Georg Brunnhuber, der dem Aufsichtsrat der DB angehört.

Ursprünglich war der Börsengang der Bahn-Tochter DB Mobili-ty&Logistics (ML) AG, die vor allem die Transportsparte umfasst, für den 27. Oktober vorgesehen gewesen. Wegen der Finanzkrise und der zu erwartenden geringen Erlöse blies Steinbrück den Aktienverkauf kurzfristig ab und stellte, wie jetzt auch, DB-Chef Hartmut Mehdorn vor vollendete Tatsachen.

Steinbrücks Kursänderung ist keine grundlegende Abkehr von der Privatisierungspolitik der Bundesregierung. Neben der Befürchtung, dass ein äußerst geringer Erlös im Wahljahr 2009 schwer zu vertreten wäre, könnte auch die aktuelle Debatte um Materialfehler an den Achsen der ICE-3 die Politik verunsichert haben. Das ARD-Magazin »Monitor« wirft dem DB-Vorstand vor, Hinweise der Bundesanstalt für Materialprüfung auf sicherheitsrelevante Konstruktionsfehler an den Achsen der Züge seit Ende September bewusst geheim gehalten zu haben. »Man wollte mit aller Macht an die Börse. Eine Information, nach der ausgerechnet die modernsten Züge nicht sicher sind, hat man daher verschwiegen«, kritisiert das Aktionsbündnis »Bahn für Alle«.

Mit seinem Vorpreschen hat Steinbrück auch seinen Kabinettskollegen Tiefensee aus der Schusslinie genommen, der wegen der Affäre um Boni für Bahn-Manager in Bedrängnis gekommen war. Da es bis Ende 2009 keinen Börsengang gebe, sei diese Frage nicht mehr akut, stellte er fest. Damit schlug sich der Finanzminister auf die Seite Tiefensees, dessen Rücktritt als möglich galt.

Ob Hartmut Mehdorn, der in den letzten Jahren weitgehend mit einem Blankoscheck der Bundesregierung ausgestattet war, klein beigibt, muss sich zeigen. Zusammen mit DB-Finanzvorstand Diethelm Sack besuchte er in den letzten Tagen arabische Länder, um bei potenziellen Käufern für Bahnaktien vorzusprechen. Der Bahnchef arbeitet seit acht Jahren auf sein Lebenswerk Börsengang hin und hat sich bisher als immun gegenüber Argumenten der Privatisierungsgegner und Bedenken der Politik gezeigt. Solange er an der Spitze des DB-Konzerns steht, dürfte der vorauseilende Gehorsam gegenüber dem Renditestreben möglicher Aktionäre und der Drang zur Eroberung des Welt-Logistikmarktes die Unternehmenspolitik bestimmen. Schließlich wurden schon in den letzten Jahren profitable Tochterbetriebe an Private verkauft. Die verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Dorothée Menzner, forderte dazu auf, den Börsengang der Bahn »ein für alle Mal abzusagen« und Mehdorn als DB-Chef abzulösen.

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