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»Zweitklassige Hochschulen, aber erstklassig kontrolliert«

Sachsen erhält nach Jahren ein neues Hochschulgesetz / Klagen drohen

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach drei Jahren Streit in der Koalition wird in Sachsen heute ein neues Hochschulgesetz beschlossen. Zufrieden damit sind die wenigsten. Weil in die Freiheit der Forschung eingegriffen werde, drohen Verfassungsklagen.

Am Mittwoch demonstrierten rund 8000 Studenten, Lehrer und Erzieherinnen vor Sachsens Parlament. In der Kritik unter anderem: das neue Hochschulgesetz. Wenn Eva-Maria Stange noch Chefin der GEW wäre, sagt Heike Werner (Linksfraktion), »dann hätte sie mit vor dem Landtag gestanden«. Die SPD-Frau indes leitet nicht mehr die Gewerkschaft, sondern das Wissenschaftsressort in Sachsens Koalition. Als Ministerin bringt sie heute eine ihrer kraftzehrendsten Aufgaben zum Abschluss: Nach der gestrigen letzten Beratung dürfte der Landtag heute das Hochschulgesetz beschließen.

Koalitionskrisen und Zoff in der SPD

Viel Beifall erntet Stange dafür freilich nicht, wie nicht nur die Demonstration zeigte. Zwar wurde an dem neuen Gesetzesrahmen für die Hochschulen im Freistaat, auf den sich CDU und SPD im Koalitionsvertrag 2004 verständigt hatten, mehr als drei Jahre gearbeitet; es gab kaum ein anderes Thema, das in der Koalition für derart viel Reiberei und Krisen gesorgt hätte. Nicht zuletzt die SPD wurde auf harte Proben gestellt. Ein von Stange mit der CDU ausgehandelter Kompromiss fiel in der Fraktion durch; der langjährige Fraktionschef Cornelius Weiss gab dieses Amt nicht zuletzt wegen des Hochschulstreits ab.

Dass Weiss nun dem Gesetz womöglich die Zustimmung verweigert, zeigt neben Unmutsbekundungen aus den Hochschulen, dass auch im Freistaat nicht unbedingt gut wird, was lange währt. Zwar spricht Stange von einem Gesetz, das »Qualität und Effizienz« der Hochschulen verbessere. Doch Werner nennt es »unausgegorenen«; der Bündnisgrüne Karl-Heinz Gerstenberg klagt, das Gesetz vereine »in fataler Weise die Nachteile anderer Hochschulgesetze« und sei eine »allgemeine Gefahr für Sachsens Hochschulen«.

Die Liste der Kritikpunkte, die in Rektoraten, Studentenräten, von Gewerkschaften und Opposition aufgestellt wird, ist lang. Moniert wird, die Regierung greife zu stark per Rechtsverordnung in die Einrichtungen ein; von einem Leipziger Prorektor wird der Satz kolportiert, in Sachsen würden künftig »zweitklassige Hochschulen erstklassig kontrolliert«. Auf Bedenken stößt die Möglichkeit, Hochschulen die Hoheit über ihr Personal zu übertragen, was per Modellversuch an der TU Dresden erprobt wird. Regierungspartner SPD muss sich nun vorwerfen lassen, einer Tarifflucht den Weg zu bereiten.

Gravierende Bedenken selbst bei Landtagsjuristen und im Rechtsausschuss gibt es gegen den neu geschaffenen Hochschulrat, eine Art Aufsichtsrat. Dieser ist zu zwei Dritteln mit Hochschulfremden besetzt, von denen die Hälfte von der Staatsregierung bestimmt werden. Das Gremium sei demokratisch nicht legitimiert, habe aber weitreichende Rechte, so Kritiker, die Verstöße gegen die Freiheit der Forschung sehen. Die LINKE prüft eine Klage beim Verfassungsgericht; die Grünen sprechen von einem »Gesetz auf Abruf«. Beide Fraktionen hatten je eigene Hochschulgesetze vorgelegt. Der der LINKEN ist schon abgelehnt, die grüne Novelle dürfte heute folgen.

Gebührenverbot mit Hintertürchen

Einen Erfolg immerhin kann sich SPD-Ministerin Stange zugute halten: Studiengebühren wird es in Sachsen nicht geben. Diese waren von Ex-Ministerpräsident Georg Milbradt ebenso vehement gefordert worden wie eine noch stärkere Ökonomisierung der Hochschulen. Der sonst so sture CDU-Mann konnte sich in diesem Punkt nicht durchsetzen; die Gebührenfreiheit, frohlockte gestern SPD-Hochschulpolitikerin Simone Raatz, sei »erstmals gesetzlich verankert«. Während die FDP das bedauert, verweist die LINKE auch hier aufs Kleingedruckte: Für manche Studiengänge könnten Studenten durchaus zur Kasse gebeten werden; zudem dürfen die Unis viele Leistungen auslagern – und dafür dann doch Geld verlangen.

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