Zwischen Gut und Börse

  • Ernst Röhl
  • Lesedauer: 3 Min.
Flattersatz: Zwischen Gut und Börse

Stephan Lochner, Domkloster 4, 50 667 Köln. Unter dieser Adresse schickte die Deutsche Post dem berühmten Maler einen Brief, um ihn als Kunden zu gewinnen. Es ist die Anschrift des Kölner Doms, wo Lochners weltbekannter Altar der Stadtpatrone besichtigt werden kann. Der Künstler glänzte durch Abwesenheit, darum erwiderte Dompropst Feldhoff in Lochners Namen. Die aktuelle Anschrift kenne er leider nicht, schrieb Feldhoff dem Gelben Riesen, denn der Meister sei seit mehr als 500 Jahren tot.

Weil der Dompropst von den Milliardengewinnen der privatisierten Post gehört hatte, packte er die Gelegenheit beim Schopf und bat um eine Spende für sein Gotteshaus. Und siehe, Klaus Zumwinkel, damals Vorstandschef der Deutschen Post und noch nicht die fette Beute der Staatsanwälte, überwies tatsächlich 1000 Euro. Schade, dass die Post nicht so spendabel ist, wenn es um regelmäßiges Zustellen von Briefen geht, die eine leichtsinnige Kundschaft ihr immer noch anvertraut.

In der ersten Hitze der Privatisierung schraubte sie zehntausende Briefkästen ab, schloss Postämter, richtete bei Schlachtermeister Hackebeil neben dem Fleischwolf eine Postagentur ein und nannte den Vorgang Filialnetzoptimierung. Auf den winzigsten Halligen und steilsten deutschen Alpengipfeln sollten täglich mehrmals Briefe und Pakete verteilt werden, so die Verheißung.

In der Praxis sehen wir Postradler im gelben Trikot, wie von Furien gehetzt, atemlos durch die Gegend rasen. Sie scheinen allesamt gedopt zu sein wie Scharpings Giganten der Landstraße und schaffen ihre Tour dennoch so gut wie nie. Die Kunden können bestenfalls alle zwei, drei Tage auf Post hoffen. Während Zumwinkel seine Millionen halbschräg am Fiskus vorbei in Liechtenstein parkte, vergrößerte er nach Art der Privatisierer ständig die Zustellbezirke, was seinen Zustellern mehr Arbeit für weniger Lohn bescherte.

So erregte er den Neid seines Managerkollegen mit dem bulgarisch-deutschen Namen Hartmut Pantschew-Mehdorn. Dieser Abenteurer des Schienenstrangs legt lustvoll Strecken still, erhöht jährlich dreimal die Fahrpreise, und seine Preiserhöhungen treffen beim Fahrgast viel pünktlicher ein als im Bahnhof die Züge. Darum lehnen erfahrene Selbstmörder es längst ab, sich bei Wind und Wetter vor den ICE zu schmeißen und sich vielleicht noch eine Grippe dabei einzuhandeln.

Fahrgäste, die sich erfrechen, ihre Fahrkarten nicht am Automaten, sondern am Schalter zu kaufen, sollten ursprünglich ausgepeitscht werden, müssen nun aber bloß noch darauf gefasst sein, dass Pantscheff-Mehdorn ihnen 2,50 Euro »Bedienzuschlag« abknöpft. Derzeit besteht seine Hauptbeschäftigung darin, dem Börsengang entgegenzufiebern. Helfershelfer ist Wolfgang »Bundesverkehrtminister« Tiefensee, der Mann mit dem Cello. Dieser gewann als Schüler den Leipziger Johann-Sebastian Bach-Preis, daher weiß keiner besser als er, wie man es anstellen muss, dass die Bahn final den Bach runtergeht, und zwar im Windschatten der privatisierten Telekom. Die Telekom ist ja inzwischen eine edle Adresse nicht nur für endlos lange Wartezeiten und miesen Kundendienst, sondern auch für flächendeckende, stasimäßige Bespitzelung des deutschen Volkes.

Kurz: Privatisieren ist klasse. Mehr Markt! Mehr Wettbewerb! Und der Staat hält sich – bitte! – raus. Nur im Fall von Finanzkrisen hat er hurtig 500-Milliarden-Euro-Rettungspakete zu schnüren, um die Zockerbanken zu sanieren. »Ist die Krise vorbei«, so Unternehmensberater Roland Berger, »wird das Unternehmen wieder privatisiert, und der Staat hat, als Treuhänder des Steuerzahlers, kein Geld verloren oder weniger als erwartet.« Genau das ist der Weg. Nach der Krise geht das segensreiche, einträgliche Privatisieren dann weiter: Sparkassen, Krankenhäuser, Schulen, Gefängnisse, Wasser, Luft! Nur die Suppenküchen nicht. Und die Polizei verfolgt ihre Täter bloß noch, wenn die Opfer dafür zahlen – und das nicht zu knapp.

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