Schmidt: Reform verfassungsgemäß

Gesundheitsministerin verteidigt in Karlsruhe Basistarif für Privatkassen

  • Lesedauer: 3 Min.
Das Bundesverfassungsgericht überprüft seit Mittwoch Teile der Gesundheitsreform. Aus Sicht der privaten Krankenversicherungen (PKV) verletzen die 2007 beschlossenen neuen Regelungen – darunter der Basistarif für Privatversicherte – die Berufsfreiheit und die Eigentumsgarantie der Unternehmen.

Karlsruhe (dpa/ND). Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) verteidigte die Gesundheitsreform als verfassungsgemäß. »Die Veränderungen haben sich auf schonende Korrekturen der Defizite und Ungleichheiten beschränkt«, sagte sie bei der Anhörung in Karlsruhe. Ein Urteil wird erst im Frühjahr erwartet.

In der Verhandlung geht es um die Verfassungsbeschwerden der fünf privaten Krankenversicherungen Axa, Debeka, Süddeutsche, Allianz und Victoria sowie von drei Privatversicherten. Insgesamt geklagt haben 29 Unternehmen – fast die gesamte Branche – sowie zehn Versicherte. Scharf kritisierte Victoria-Vorstandschef Günter Dibbern die Reform: »Es handelt sich um einen staatlichen Eingriff in das Geschäftsmodell der PKV, der existenzgefährdende Dimensionen annimmt.« Er warnte vor drastisch steigenden Beiträgen in den normalen PKV-Tarifen, weil viele Kunden in den günstigeren Basistarif wechseln würden. Der Basistarif, den die Privaten im Leistungsumfang der gesetzlichen Kassen anbieten müssen, sei ein Stück gesetzliche Krankenversicherung in der PKV.

Aus Sicht von Gesundheitsministerin Schmidt waren Eingriffe in das Geschäft der Privatversicherungen notwendig, um das System der gesetzlichen Krankenversicherung zu stabilisieren. Durch eine »systematische Wettbewerbsverzerrung« – junge Gesunde gehen in die PKV, alte Kranke müssen von der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert werden – hätten die gesetzlichen Kassen 700 bis 900 Millionen Euro jährlich eingebüßt. Der Basistarif repariere gewisse Ungleichheiten, fortan müssten sich die PKV stärker auch um ältere Menschen kümmern.

Die vom Gericht geladenen Experten konnten die Negativ-Szenarien der PKV nicht bestätigen. Der Basistarif sei relativ teuer, weshalb ein Wechsel in großem Umfang nicht zu erwarten sei, sagte der »Wirtschaftsweise« Bert Rürup. Auch bei der künftig möglichen Mitnahme von Altersrückstellungen beim Wechsel zur Konkurrenz »sehe ich kein großes Problem«, sagte Rürup.


Die Klage der privaten Krankenversicherungen betrifft vor allem folgende Fragen:

BASISTARIF: Von 2009 müssen die Privaten einen Basistarif anbieten, der sich im Leistungsumfang an den gesetzlichen Kassen orientiert und deren Höchstbeitrag nicht überschreiten darf.
ALTERSRÜCKSTELLUNGEN: Der Versicherte kann Altersrückstellungen, mit denen die Beiträge im Alter bezahlbar gehalten werden sollen, künftig bei einem Wechsel zur Konkurrenz wie eine Art Sparguthaben mitnehmen. Damit soll der Wettbewerb zwischen den Privaten gefördert werden.
DREI-JAHRES-REGEL: Zur PKV wechseln darf nur, wer drei Jahre hintereinander die Jahresarbeitsentgelt-Grenze von derzeit 48 150 Euro überschritten hat. Damit sollen junge und gesunde Versicherte länger in den gesetzlichen Kassen gehalten werden.
WAHLTARIFE: Die gesetzlichen Kassen können nun auch Wahltarife anbieten, beispielsweise Hausarzt- oder Selbstbehalttarife. Die PKV sehen damit einen Eingriff in ein Geschäftsfeld, das sie bisher abgedeckt haben.
BUNDESZUSCHUSS: Die gesetzlichen Kassen erhalten zur Finanzierung »versicherungsfremder Leistungen« einen Zuschuss, der schrittweise auf 14 Milliarden Euro steigen wird.
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