Den Turbo noch nicht gezündet
Skispringer Gregor Schlierenzauer will bei der Vierschanzentournee beim Heimspringen in Österreich angreifen
Seit neun Jahren lauern die Österreicher auf einen Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee. In diesem Jahr sollte es der noch 18 Jahre alte Gregor Schlierenzauer richten. Im Moment aber fliegt »Schlieri« dessen Mannschaftskamerad Wolfgang Loitzl davon. Er führt die Tourneewertung knapp mit 561,5 Punkten vor dem Schweizer Simon Ammann (561,0) an. Schlierenzauer lauert im Moment auf Rang drei mit 537,7 Punkten und zeigt sich zuversichtlich: »Bei der Tournee ist erst Halbzeit, und jetzt kommen wir nach Österreich.«
Bis jetzt hat Österreichs neuer Starpilot den Turbo noch nicht gezündet. Schon im vorigen Jahr rechneten die Tiroler mit einem »Schlieri«-Sieg. Doch da stand dem Zauberlehrling der Schanzen noch der finnische Haudegen Janne Ahonen im Wege. Ahonen segelte zu seinem fünften Gesamtsieg und übertraf den Oberwiesenthaler Rekord-Mitinhaber Jens Weißflog um einen Gesamtsieg.
Diesmal scheint Schlierenzauer an der Reihe. Wie er mit Sprüngen von 136 und mehr Metern in Oberstdorf nicht nur am Schanzenrekord von 143,5 m kratzte, sondern den Olympiasiegern und Weltmeistern die lange Nase zeigte, beeindruckte die Zuschauer in der Allgäu-Arena. Beim zweiten Springen in Garmisch-Partenkirchen vermochte er nicht so überlegen zu zaubern. Er landete auf dem vierten Rang.
Gregor Schlierenzauer aus Flums im Stubaital ist unbestritten der neue Spitzenpilot in einer Starcrew der Austria-Airlines um Doppel-Olympiasieger Thomas Morgenstern und Wolfgang Loitzl. Mit einem Gewicht von 61 kg bei 1,77 m Größe bringt er ideale Vorrausetzungen für die Flüge mit. Wer aber denkt, der Österreicher stoße bereits an die Grenzen seiner Möglichkeiten, der irrt gewaltig.
In Oberstdorf verriet Gregor den staunenden Journalisten: »Ich nutze meine Skilänge noch nicht maximal aus. Zwei Zentimeter lasse ich mir als Reserve.« Fragt sich, wo will dann Gregor noch hinsegeln? Er bringt ohnehin schon alle Schanzenrekorde ins Wanken. Ging der Skiflug-Weltmeister in den vergangenen Jahren gelassen an die Tournee, so will er es in diesem Jahr wissen, wie er zugibt: »Olympia ist für mich noch höher. Aber WM und Tournee stehen für mich auf einer Stufe. Die Tournee ist ein Mythos. Alle guten Skispringer sind einmal Tourneesieger geworden.« Siegesfeiern sind die Schlierenzauers übrigens gewohnt. »Wenn mein Onkel Markus beim Rodeln eine Weltmeistermedaille mitbrachte, wurde bei uns gefeiert«, erinnert sich Gregor dunkel. Schließlich war er da noch ziemlich klein.
Schlierenzauer wollte Fußballer werden
Mutter Angelika ist die Schwester des früheren Eisrinnenstars und Olympiasiegers Markus Prock, ein ewiger Konkurrent von Georg Hackl. Prock arbeitet jetzt als Sportdirektor der österreichischen Rodler und hat das Management für seinen Neffen übernommen. Am 7. Januar könnte bei den Procks und Schlierenzauers die Post wieder mit einer großen Feier abgehen. An dem Tag feiert der Schanzenaufsteiger seinen 19. Geburtstag und einen Tag vorher geht in Bischofshofen die 57. Schanzentournee zu Ende.
»Wir werden – bis auf unsere große Tochter Gloria – alle da sein«, verspricht Vater Paul Schlierenzauer. Nicht das Gloria (22) kein Herz für ihren kleineren Bruder hätte. Gloria will Pädagogik studieren und betreut im Praktikum Kinder von Eltern, die sich auf den Pisten oder beim Après-Ski austoben. Da kann sie nicht einfach fehlen.
Eigentlich wollte Gregor Fußballer werden. »Aber dann hat mich ein Freund einmal mit zum Skispringen genommen. Ich habe gemerkt, das passt und bin dabei geblieben«, erklärt der Schüler vom Skigymnasium Stams. »Für mich begann damit eine ziemlich hektische Zeit. Ich habe Gregor zum Training gefahren und bin mit ihm zu Wettkämpfen gereist«, erinnert sich sein Vater Paul Schlierenzauer.
Zum ersten Mal kam Vater Paul sein Job bei einer Versicherung entgegen: »Ich bin Außendienst-mitarbeiter, da kann ich mir meine Zeit einteilen und war in der Lage, Gregor in den ersten Jahren zu helfen.« Mit 13 segelte der Junge zum ersten Mal in Stams von einer Großschanze, mit 15 wurde er Junioren-Weltmeister, mit 18 Skiflug-Weltmeister und mit 19 vielleicht Tourneesieger?
Ein bisschen Glanz fällt durch Gregor Schlierenzauer übrigens auch auf Deutschland, besonders auf Bayern. So verriet Oma Schlierenzauer: »Unsere Familie stammt aus der Gegend um den Schliersee.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.