Freude bei verkaufter Redaktion

Die »Berliner Zeitung« erscheint künftig unter dem Dach des Kölner Verlagshauses DuMont

  • Günter Frech
  • Lesedauer: 4 Min.
Notverkauf: Die Kölner Mediengruppe M. DuMont Schauberg kauft die »Berliner Zeitung«. »Jetzt in Menschen und Qualität investieren«, so die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zum Besitzerwechsel. Die verkaufte Redaktion freut sich.

Erich Böhme wollte aus ihr »eine Art Washington Post« machen – vor gut zehn Jahren sollte die »Berliner Zeitung« unter der Leitung des einstigen »Spiegel«-Chefredakteurs und Talkmasters zu der deutschen Hauptstadtzeitung mit überregionaler Bedeutung aufgepäppelt werden. Seither ist viel Wasser die Spree hinuntergeflossen und seit gestern hat das Blatt den dritten Eigentümer der Nachwendezeit.

Für 152 Millionen Euro kaufte die Kölner Mediengruppe M. DuMont Schauberg (MDS) dem irischen Finanzinvestor David Montgomery den Berliner Verlag ab, zu dem neben der »Berliner Zeitung« der »Berliner Kurier«, das Veranstaltungsmagazin »Tip« und die nur im Internet erscheinende »Netzeitung« gehören. Mitgekauft wurde auch das Boulevardblatt »Hamburger Morgenpost«, das ebenfalls Montgomery gehörte. Damit ist das Deutschland-Abenteuer des umstrittenen Investors beendet. Vor gut drei Jahren erwarb die »Heuschrecke« Montgomery den Berliner Verlag vom zum Medienriesen Bertelsmann gehörenden Hamburger Verlag Gruner + Jahr für angeblich 180 Millionen Euro. Dies war der erste und bislang einzige Einstieg eines ausländischen Finanzinvestors in ein deutsches Verlagshaus.

Die damaligen Befürchtungen der Redaktion, die publizistische Qualität der Produkte werde sinken, haben sich mehr als bestätigt. Der Ire machte weniger durch verlegerische Glanzstücke als vielmehr mit nicht erreichbaren Renditeerwartungen von bis zu 30 Prozent von sich reden. So wurde immer wieder beklagt, Montgomery presse den profitablen Verlag wie eine Zitrone aus und investiere nicht in die veraltete Redaktionstechnik. »Seit Montgomery 2005 dort eingestiegen ist, war immer nur von Kostensenkungsprogrammen, Stellenabbau und Sparmaßnahmen die Rede. Das hat zu Unruhe in der Redaktion und zur Abwärtsspirale geführt«, so der Medienexperte Michael Ridder.

Gestandene Redakteure haben das Haus in Scharen verlassen. Zudem sorgte die Doppelfunktion von Josef Depenbrock als Chefredakteur und Verlagsgeschäftsführer für Wirbel.

Der Verkauf würde deutlich machen, dass Investmentgesellschaften nicht die geeigneten Eigentümer in der Medienlandschaft seien, erklärte Matthias von Fintel, Tarifexperte für die Medienwirtschaft der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. »Am Ende ist Montgomery durch seine Expansion auf Kreditbasis handlungsunfähig geworden und musste seine deutschen Titel verkaufen.« Quer durch Europa ist Montgomery an rund 300 Zeitungstiteln beteiligt. Derzeit steht er mit geschätzten 600 Millionen Euro gegenüber seinen Banken in der Kreide. Die Gewerkschaft ver.di erwartet, dass DuMont jetzt in »Menschen und Qualität investiert«.

Mit dem Kauf des Berliner Verlages geht die Kölner Mediengruppe – eines der wenigen Familienunternehmen, die es noch gibt – weiter auf Expansionskurs. Zu dem Unternehmen gehören neben Druckereien und Buchverlagen die Tageszeitungen »Kölner Stadtanzeiger« und »Kölner Rundschau« sowie das Boulevardblatt »Express«, das in Köln, Bonn und Düsseldorf erscheint, sowie die in Halle erscheinende »Mitteldeutsche Zeitung«. Und seit zwei Jahren ist DuMont zu 50 Prozent an der »Frankfurter Rundschau« (FR) beteiligt. Diese Tatsache nährte in den vergangenen Tagen Spekulationen, dass der derzeitige FR-Chefredakteur, Uwe Vorkötter, nun auch der Redaktion in Berlin vorstehen soll. Vor seinem Wechsel nach Frankfurt war Vorkötter Chefredakteur der »Berliner Zeitung« und wandte sich hier in scharfen Kommentaren gegen den Verkauf der Zeitung an Montgomery. Im Rückblick, sagen Redakteure der »Berliner Zeitung«, konnte er das nur tun, weil er seinen neuen Arbeitsvertrag bereits in der Tasche hatte. Vorkötter selbst wollte gestern zur Personalie Vorkötter nichts sagen. Dementiert hat er hingegen, dass »Frankfurter Rundschau« und »Berliner Zeitung« von einem gemeinsamen Newsdesk aus gesteuert würden. Beide Blätter sollten publizistisch eigenständig bleiben. Diese Aussage wurde von Thomas Rogalla, Sprecher des Redaktionsausschusses der »Berliner Zeitung«, begrüßt.

Insgesamt nimmt die Redaktion den Eigentümerwechsel »mit Freude« zur Kenntnis, heißt es in einer Erklärung. Die vergangenen drei Jahre habe man damit verbracht, sich für den Erhalt und die Weiterentwicklung der »Berliner Zeitung« als führende Hauptstadtzeitung einzusetzen. Das Montgomery-Konzept sei allein auf Gewinnmaximierung ausgerichtet gewesen. Nach Klärung der ausstehenden kartellrechtlichen Fragen freue man sich auf die künftige Zusammenarbeit mit DuMont Schauberg. Die Redaktion bietet »konstruktive Gespräche über die Weiterentwicklung der Zeitung und des Online-Auftritts auf Basis der im Redaktionsstatut der ›Berliner Zeitung‹ formulierten Ziele an: Eigenständigkeit der Redaktion, weitere Profilierung als führende Qualitätszeitung in der Hauptstadt«.

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