Acht Prozent für zwei Millionen

Gewerkschaften wollen besseren Tarif für Landesbedienstete

  • Günter Frech
  • Lesedauer: 3 Min.
Heute findet in Berlin der Auftakt zu den Tarifverhandlungen für gut zwei Millionen Arbeiter, Angestelle und Beamte der Länder statt. Die Gewerkschaften fordern Gehaltserhöhungen von acht Prozent. Das sei nicht finanzierbar, sagen die Arbeitgeber
Vivantes-Krankenhaus Berlin. Drohen neue Streiks?
Vivantes-Krankenhaus Berlin. Drohen neue Streiks?

»Vor der ersten Verhandlungsrunde wäre es zu früh, über Streiks nachzudenken«, so Frank Bsirske, Chef der Gewerkschaft ver.di, auf die Frage, ob seine Organisation streikbereit sei, falls die heutige Auftaktrunde über die Tarife für die 866 000 Arbeiter und Angestellten der Bundesländer ohne Ergebnis bleibt. Da bereits drei Termine mit den Arbeitgebern der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) vereinbart sind – die zweite Runde findet am 26. Januar, die dritte am 14. / 15. Februar statt –, dient das heute in Berlin stattfindende Treffen zum Austausch der Standpunkte.

Die Arbeitgeber haben sich schon festgelegt: »Das können wir nicht bezahlen«, so der Verhandlungsführer der Länder, Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring, zur Gewerkschaftsforderung von acht Prozent Entgeltsteigerung. Neben den Beschäftigten in den Landesverwaltungen, Landeskrankenhäusern, Straßenmeistereien, Universitäten und Finanzämtern geht es in dieser Tarifrunde auch um Polizisten und Lehrer, so dass neben ver.di die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit am Verhandlungstisch sitzen. Auch der nicht zum DGB gehörige Deutsche Beamtenbund (dbb) schloss sich der Tarifforderung an. Für die 1,1 Millionen Beamten der Länder sowie die 180 000 kommunalen Beamten soll das Tarifergebnis per Rechtsverordnung übernommen werden. Beamtenbund-Chef Peter Heesen forderte die Arbeitgeber zu zügigen Verhandlungen auf.

Der Verhandlungsführer von ver.di, Achim Meerkamp, bekräftigte, ein möglicher Abschluss müsse sich an der im Frühjahr des vergangenen Jahres erzielten Vereinbarung für die Bundes- und Kommunalbeschäftigten orientieren. Hier stiegen die Einkommen um fünf bis sieben Prozent und seit dem 1. Januar nochmals um 2,8 Prozent. Die letzte Tariferhöhung für die Länderbeschäftigten wurde 2006 mit bescheidenen 2,9 Prozent erzielt. Zudem, so Meerkamp, müsse die Schere gegenüber der Privatwirtschaft geschlossen werden: »Die Landesbediensteten hängen mit deutlich sieben Prozent der übrigen Lohnentwicklung hinterher.« Meerkamp zufolge können die Länder die Tarifforderung locker finanzieren, da sechs von ihnen Überschüsse erzielten. »Und bis zum Jahr 2011 sehen die Prognosen so schlecht nicht aus«, betonte Meerkamp.

Unterstützung bekommen die Gewerkschaften von Ulrich Blum, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Blum mahnte die Arbeitgeber, keinen allzu harten Kurs zu fahren, da es auch um die »soziale Balance« gehe. »Milliarden für die Landesbanken rechtfertigen und das eigene Personal darben lassen – das geht nicht«, so der Wissenschaftler. Außerdem müsse der öffentliche Dienst auch für junge Menschen attraktiv bleiben. Dazu sagt Meerkamp, man habe wegen der deutlichen Lohnunterschiede jetzt schon Probleme, Fachkräfte für die Länder zu bekommen: »Schon jetzt gibt es Personalengpässe.«

Die separaten Tarifverhandlungen für die Landesbeschäftigten waren notwendig geworden, nachdem Arbeitgeber und Gewerkschaften 2004 eine Prozessvereinbarung über die Reform des öffentlichen Dienstes vereinbart hatten. Weil sie mit Forderungen wie der nach einer Arbeitszeitverlängerung nicht durchkamen, verließen die Länder die Tarifgemeinschaft des öffentlichen Dienstes. Wegen Unstimmigkeiten in Bezug auf die Angleichung von Ost- und Westgehältern wurde das Land Berlin 1994 aus der Tarifgemeinschaft ausgeschlossen. Und weil die Regierung in Hessen unter Roland Koch (CDU) die Arbeitszeit auf 42 Wochenstunden ausweiten wollte, trat man 2004 aus dem Verband aus. Inzwischen hat der Landtag mit den rot-rot-grünen Stimmen beschlossen, wieder der Tarifgemeinschaft beizutreten. Das wurde allerdings von der geschäftsführenden Landesregierung nicht vollzogen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal