Turbulenzen in Trollhättan

Saab-Schließung würde 30 000 Arbeitsplätze in Gefahr bringen

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.
Die GM-Tochter Saab hat Insolvenz angemeldet. Damit steigt der Druck auf die schwedische Regierung.

Nach jahrelangen Milliardenverlusten hat der am Abgrund stehende US-Autokonzern General Motors (GM) die Geduld mit der schwedischen Tochtergesellschaft Saab verloren. Diese Woche erklärte GM, ohne staatliche Hilfen werde Saab noch in diesem Monat Pleite gehen.

Spätestens bis Januar 2010 soll die Tochter verkauft werden. In der aktuellen Krise der Branche einen anderen Käufer für einen defizitären Autohersteller finden zu wollen als den jeweiligen Heimatstaat, ist jedoch praktisch unmöglich. Entschieden Nein sagte aber auch die konservative schwedische Wirtschaftsministerin Maud Olofsson, die die Mitteilung von GM als puren Erpressungsversuch versteht, um an schwedische Steuerkronen als Subventionen zu kommen.

Das Jahresziel von 150 000 zu verkaufenden Wagen hat Saab nie erreicht. Trotz modernisierter Produktion schrieb der Autobauer regelmäßig rote Zahlen.

Am Freitag meldete der Saab-Verwaltungsrat Insolvenz an, um dadurch den Umbau des Traditionsunternehmens innerhalb von drei Monaten voranzubringen, wie eine Sprecherin erklärte. Ziel ist es, gesunde Teile des Unternehmens zu retten. Zudem schlug der Vorstand öffentlich einen Bezahlungsstillstand für bis zu einem Jahr vor. Die Erklärung des Saab-Vorstandschefs Jan-Åke Jonsson, man habe einen wettbewerbsfähigen Rettungsplan, klang für Beobachter jedoch nicht sehr glaubwürdig. Falls vorhanden, hätte man ihn besser in den verflossenen Jahren umgesetzt, statt bis jetzt zu warten.

Mit dem Konkurs steht nicht nur ein Flaggschiff der schwedischen Industrie auf dem Spiel, sondern allein am Hauptsitz Trollhättan, einer Stadt von 45 000 Einwohnern, sind 4500 Arbeitsplätze bedroht. Nimmt man das Netz von Lieferanten hinzu, könnte ein Saab-Aus bis zu 30 000 Arbeitsplätze vernichten. Die schwedische Metallarbeitergewerkschaft und der Gewerkschaftsdachverband LO haben daher die Regierung aufgefordert, alles für die Rettung von Saab zu tun und die Fabrik gegebenenfalls zu übernehmen. Die LO-Vorsitzende Wanja Lundby-Wedin äußerte sich empört über die ablehnende Haltung ihrer Regierung. »Ich kann die Meinung nicht verstehen, dass man nicht das Geld der Arbeitnehmer riskieren will, wenn wir doch alle Steuern bezahlen«, so Lundby-Wedin.

Allerdings meint eine deutliche Mehrheit der schwedischen Bevölkerung, dass der Autobauer nicht verstaatlicht werden soll. Regierung und Finanzexperten befürchten, mit Saab würde ein Fass ohne Boden übernommen, in dem viele Milliarden Euro verschwinden, ohne dass sich die Situation grundlegend ändern würde. »Wenn der größte Autokonzern über 20 Jahre Saab nicht überlebensfähig machen konnte, wie soll das dann der schwedische Staat schaffen?«, sagte Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt. Saab sei nur noch ein Warenname für GM – dort liege daher auch die Verantwortung.

Falls General Motors seine Drohung wahrmacht, Saab zu schließen, würde dies den Konzern zwischen 2 und 5 Milliarden Euro kosten. Ein guter Teil davon wären Erstattungszahlungen an Saab-Händler in den USA und anderswo, die die schwedische Regierung absolut nicht übernehmen will. Veranschlagte Kosten sind im Moment jedoch mit Vorsicht zu betrachten, da hinter den Kulissen verhandelt wird, um doch noch eine Rettung zu finden.


Zahlen & Fakten

Saab ist eine Ikone der schwedischen Wirtschaft. Der Autobauer mit dem Stammwerk in Trollhättan bei Göteborg machte sich seit 1947 einen Namen zunächst durch ungewöhnliche aerodynamische Formen und später durch aufwendige Sicherheitstechnik. Produziert werden bis heute ausschließlich teure und viel Benzin schluckende Premium-Modelle. 1990 übernahm General Motors (GM) 50 Prozent der Anteile sowie die operative Führung, zehn Jahre später auch den Rest der Anteile. Seit 1996 macht Saab keine Gewinne mehr. GM stellte Saab Ende 2008 zum Verkauf, fand aber bisher keinen Interessenten.

Die Skandinavier gehören zu den kleinsten Autoherstellern in Europa. 2007 betrug die Jahresproduktion 125 000 Wagen. Die Auslastung lag zuletzt bei 50 Prozent. 2008 setzte Saab nur noch 94 000 Autos ab. Für Saab arbeiteten in Schweden Ende 2007 knapp 6000 Beschäftigte. Aktuell sind es rund 4000. dpa

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