Schutzschirm für Arbeitsplätze

Ver.di stellt ein eigenes Konjunkturprogramm vor

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein drittes Konjunkturprogramm in Höhe von 100 Milliarden Euro forderte der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Frank Bsirske am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin. Die bisherigen Konjunkturprogramme seien angesichts der Schwere der Krise nicht genug.

Mit Verweis auf eine OECD-Studie, die einen Rückgang des Wirtschaftswachstums von rund fünf Prozent in Deutschland prognostiziert, sagte Bsirske, das sei eine Größenordnung, die nur während der großen Weltwirtschaftskrise Anfang der 30 Jahre erreicht worden sei. Die Folgen wären mehr als fünf Millionen Arbeitslose.

Das vorgeschlagene Konjunkturprogramm könne sofort umgesetzt werden und würde zwei Millionen Arbeitsplätze retten, betonte Bsirske. Im Einzelnen geht es um öffentliche Investitionen in Bildung, energetische Gebäudesanierung, die ökologische Modernisierung von Verkehr und Krankenhäusern und den flächendeckenden Ausbau des glasfaserbasierten Breitbandnetzes in Höhe von 75 Milliarden Euro. Ein arbeitsmarktpolitisches Sofortprogramm in Höhe von 25 Milliarden Euro soll verlängerte Altersteilzeit und mehr Ausbildungsplätze finanzieren helfen. Weitere Forderungen: Verlängerung des Arbeitslosengeldes I auf generell ein und für über 50-Jährige auf zwei Jahre, die Übernahme der vollen Sozialversicherungsbeiträge nach sechs Monaten Kurzarbeit für kleinere und mittlere Unternehmen sowie die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 7,50 Euro die Stunde, der rasch auf neun Euro angehoben werden soll.

Zur Finanzierung des Konjunkturprogramms schlägt ver.di vor, die Vermögensteuer wieder einzuführen, die Erbschaftssteuer zu reformieren und Finanztransaktionen zu besteuern. Deutschland dürfe bei Vermögens- und Erbschaftssteuern nicht länger eine Steueroase sein, so Bsirske. Die Forderungen bedeuteten eine Anpassung an das europäische Niveau. Das Programm enthalte Selbstfinanzierungseffekte, die durch Abbau von Arbeitslosigkeit und höhere Steuern entstünden.

Obwohl Bsirske betonte, die Vorschläge seien seriös gegenfinanziert, sei klar, dass sie in der Politik nicht auf Gegenliebe stoßen werden. Nicht nur von FDP und Union, auch von der SPD komme Gegenwind. So sieht Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier für ein drittes Konjunkturprogramm derzeit keine Chancen. Auf Nachfrage betonte Bsirske, dass das Wahlprogramm der SPD richtige Akzente enthalte. Er erwähnte vor allem die Festlegung eines gesetzlichen Mindestlohnes. Allerdings diagnostizierte er in der Steuerpolitik mangelnde Konsequenz.

Bsirske wollte das ver.di-Kon- junkturprogramm als Brückenschlag zu den sozialen Bewegungen verstanden wissen. Es solle eine gesellschaftliche Debatte darüber anregen, warum es Schutzschirme für marode Banken, aber nicht für Arbeitsplätze und Bildung gebe. Diejenigen, die in den letzten Jahren massiv profitierten, müssten auch mehr für die Folgen der Krise zahlen. Ob ver.di für diese Forderungen auf die Straße gehen wird, ließ er allerdings offen.

Unterdessen forderte ver.di in Erfurt sieben Prozent mehr Lohn für die 350 000 Beschäftigten im Einzel- und Großhandel in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Im Großhandel sollten es acht Prozent sein, so ver.di-Bereichsleiter Handel, Jörg Lauenroth-Mago. Die Tarifgespräche für den Einzelhandel beginnen am 29. April.

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