Verschätzt

Die Krise mit ihren zahllosen negativen Superlativen hat auch die Prognostiker erreicht. Mussten die Konjunkturforscher ihre Schätzungen früher um ein bis zwei Prozentpunkte korrigieren, sind es jetzt für das Jahr 2009 über sechs Punkte. Die Zunft der Volkswirte macht sich damit zum Gespött der Nation. Selbst Wetterfröschen wird für ihren Bereich größere Treffgenauigkeit attestiert als den Akademikern in ihren Instituten.

Doch um das eigentliche Elend des Mainstreams der Wirtschaftswissenschaft zu begreifen, muss man genauer hinsehen. Da ökonomische Glaskugeln nicht existieren, beruhen Prognosen auf einer Vielzahl von Annahmen, die eintreten können oder eben nicht. Und auch wirtschaftspolitische Vorschläge könnten den Lauf der Dinge beeinflussen. Irrtum gehört praktisch zum Geschäft. Doch unentschuldbar ist, dass eine große Krise in den Modellen der neoliberalen Ökonomen nicht vorkommt. Immerhin haben Politik und Wirtschaftssubjekte das getan, was über viele Jahre gepredigt wurde. Deshalb müsste gesamtwirtschaftlich jetzt alles rund laufen.

Ebenso peinlich ist, dass man nicht einmal aus Schaden klug wird. Auch im Frühjahrsgutachten klammert sich die Mehrheit der Forscher an alte Fehlschlüsse – so sollen Niedriglöhne die Konjunkturprobleme abfedern helfen, wobei sie diese doch nur verschärfen würden. Doch wie will man Auswege aus der Krise aufzeigen, wenn man nicht einmal erkannt hat, dass man selbst in einer steckt?

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