Birthler von keinem Zweifel getrübt

Hoffnung der oft kritisierten Behördenchefin auf steigendes Interesse nach Kurras-Aktenfund

  • Jürgen Petzold
  • Lesedauer: 2 Min.
Marianne Birthler findet nicht, dass sie sich im Fall Kurras irgendetwas hat zuschulden kommen lassen. Und widerspricht dem Eindruck, ihre Behörde sei blind, wenn es um West-Aktivitäten des einst so mächtigen Ministeriums für Staatssicherheit geht.

»Diese Unterlagen sind einfach nie angefragt worden«, stellt Birthler zu den zufällig aufgefundenen Akten fest. Nicht einmal Autoren, die sich mit dem Fall des am 2. Juni 1967 erschossenen Studenten Benno Ohnesorg befasst hätten, seien auf die Idee gekommen, nach einer möglichen Stasi-Verbindung des Todesschützen zu forschen.

Das sehen Birthlers Kritiker ganz anders. »Ich weiß, dass es diverse Anträge gab nach Akten über die Studentenbewegung«, moniert der Leiter der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe. »Und alle diese Antragsteller haben diese Akte nicht vorgelegt bekommen.«

Es ist nicht das erste Mal, dass Birthlers Behörde in die Kritik gerät. Erst musste sie sich den Vorwurf gefallen lassen, einen Forschungsbericht über Stasi-Verstrickungen früherer Bundestagsabgeordneter aus Karrieregründen zurückgehalten zu haben. Später geriet sie wegen der rund 50 Ex-MfS-Mitarbeiter in Bedrängnis, die ihre Behörde bis heute beschäftigt. Schließlich musste Birthler einräumen, dass ihre Behörde einen bereits bekannten Schießbefehl als Neuigkeit präsentiert hatte. Und im Fall Kurras wurde jetzt bekannt, dass Birthler offenbar erst Wochen nach dem Aktenfund über die brisanten Enthüllungen in Kenntnis gesetzt wurde – kurz vor Veröffentlichung in den Medien.

Dabei ist die Erforschung der Stasi-Unterlagen ohnehin nicht das Kerngeschäft der Birthler-Behörde. Zwar hat sie auch eine eigene Forschungsabteilung, aus deren Reihen heraus die Kurras-Enthüllung denn auch publiziert wurde. Aber die ist klein. Gerade einmal 13 Wissenschaftler arbeiten dort, hinzu kommen 70 weitere Mitarbeiter. Das Gros der insgesamt mehr als 1700 Mitarbeiter ist aber für Bearbeitung der Anträge auf Akteneinsicht oder Anfragen von Journalisten verantwortlich.

Doch Birthlers kleiner Wissenschaftler-Stab hat durchaus Interessantes zutage gefördert, nicht zuletzt über die Berliner Polizei. Weil es für den Geheimdienst aus dem Osten schwierig war, an gestandene West-Polizisten heranzukommen, knüpfte er gezielt Kontakte zu Jugendlichen, berichtet der Wissenschaftler Georg Herbstritt von Birthlers Forschungsabteilung. Die sollten sich für den Polizeidienst bewerben – um fortan zu spionieren. Erfolglos war diese Strategie nicht. »Offenbar hatte die Stasi Zugriff auf Vieles, was man sicher wähnte«, berichtet Birthler.

So kann Birthler den Fall Kurras auch als Beleg dafür anführen, dass ihre Behörde weiter gebraucht wird: »Ich könnte mir vorstellen, dass das Interesse nach diesem Aktenfund zunimmt«. AFP

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