Kaufhäuser in Not

Konsumtempel bangen um Zukunft / Jobs bleiben auf der Strecke

  • Manfred Wieczorek
  • Lesedauer: 2 Min.
Sie sammelten Unterschriften, demonstrierten und verklebten die Schaufenster ihrer Warenhäuser, um zu zeigen, wie öde die Innenstadt ohne Kaufhaus wäre. Betriebsräte und Mitarbeiter von Karstadt ließen nichts unversucht, um ihre Arbeitsplätze zu retten. Doch alles half nichts, am Dienstag musste der Mutterkonzern Arcandor Insolvenz anmelden. Damit stehen erneut einschneidende Veränderungen bei Karstadt bevor. Ohnehin stellt sich die Frage nach der Zukunft der großen Konsumtempel.

Zunächst hatte Karstadt in großem Stil eingekauft: Hertie und damit auch Wehmeyer sowie SinnLeffers wurden übernommen. Der Name Hertie verschwand. Dann die Kehrtwende. Wehmeyer und SinnLeffers wurden verkauft, kleinere Karstadt-Häuser ausgegliedert, zunächst weiterbetrieben und dann ebenfalls verkauft. Unter dem Namen Hertie machten sie weiter. Bei all diesen Umstrukturierungen blieben Arbeitsplätze auf der Strecke.

Entweder teuer oder billig – das galt lange als Erfolgsrezept. Bei Karstadt setzte man auf teuer, konzentrierte sich auf Städte mit überdurchschnittlicher Kaufkraft. Und scheiterte. Doch auch die Karte »billig« sticht nicht mehr: Woolworth musste Insolvenz anmelden. Überleben könnten die mittelgroßen Filialen mit 1000 bis 1500 Quadratmetern Verkaufsfläche, die kleinen Läden könnten unter anderem Namen weitermachen. Nach der Woolworth-Übernahme durch den britischen Finanzinvestor Argyll Partners im Frühjahr 2007 mussten rund 3000 Mitarbeiter gehen.

SinnLeffers und Wehmeyer sind momentan aus den Schlagzeilen verschwunden. Doch das bedeutet keineswegs eine gesicherte Zukunft: SinnLeffers hat die Zahl seiner Häuser auf 24 reduziert und nur die in den besten Lagen behalten. Wo immer es ging, wurden die Mietzahlungen gedrückt. Wehmeyer wurde von einem indischen Textilhändler übernommen und will mit Eigenmarken überleben. Die verbliebenen 900 Arbeitsplätze sollen mehr als halbiert werden.

Und Hertie? Hier versuchen die Bürgermeister der Hertie-Städte gemeinsam mit Betriebsräten und der Gewerkschaft ver.di die 54 Standorte zu retten. Doch schon im Sommer sollen die Häuser ihre Türen für immer schließen und 2600 Menschen ihre Jobs verlieren.

»Wir wollen keine Staatshilfe. Was wir wollen, sind Mietverträge«, sagt Hertie-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Bernd Horn. Doch genau die will Hertie-Eigner Dawnay Day nicht geben. Und wenn, dann zu horrend hohen Preisen. Dawnay Day braucht Geld, schließlich hat man sich bei Aktiengeschäften verhoben. Das Geld für den Einstieg bei Hertie war von der Deutschen Bank geliehen. Deshalb haben Bürgermeister und Betriebsräte das Geldinstitut um Hilfe gebeten. Die Bank hatte am Dienstag zugesichert, einen Gipfel mit den Eigentümern der Gebäude, dem Insolvenzverwalter und möglichen Investoren zu organisieren.

Kaufhof schließlich scheint mit seinem Konzept Erfolg zu haben und schickt sich sogar an, den Konkurrenten Karstadt zu übernehmen. Die zum Metro-Konzern gehörenden Häuser schreiben schwarze Zahlen. Doch das ändert nichts daran, dass klassische Warenhäuser seit den 1970er Jahren an Bedeutung verlieren. Shoppingcenter mit unterschiedlichen Fachhändlern unter einem Dach sind der Trend. Seit den frühen 90ern hat sich ihre Zahl auf über 400 mehr als vervierfacht.

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