Steueroasen bleiben im Nebel

Heinrich-Böll-Stiftung diskutiert über schwarze Löcher im Finanzsystem

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 2 Min.
Die aktuelle Finanzkrise bringt Regierungen und internationale Organisationen wie die OECD dazu, endlich ihre Anstrengungen gegen diverse Steuer- und Regulierungsoasen zu verstärken. Wie ernst derartige Ankündigungen sind, dazu diskutierten kürzlich in Berlin auf Einladung der Heinrich-Böll-Stiftung Politiker und Experten.

Die Steuerparadiese sind auf Grund der halbherzigen Angriffe aus den Industrieländern nicht wirklich in der Krise, auch wenn die Attacken teils mit großem Getöse vorgetragen werden. Nur gelegentlich, wie im Fall des ehemaligen Post-Chefs Klaus Zumwinkel, schlagen Vorgänge um Steuerhinterziehung im Ausland hohe Medienwellen. Tagein, tagaus bieten große Banken auf ihren Webseiten dem betuchten Kunden »effektive Steuerplanung« und günstige Offshore-Lösungen an. So unterhält die Deutsche Bank 499 Tochtergesellschaften in einschlägig bekannten Territorien, darunter 151 auf den Cayman-Inseln und 79 auf Jersey.

Verluste für die Steuerbehörden gehen global in die Milliarden. Das Tax Justice Network, eine Nichtregierungsorganisation, die sich für Steuergerechtigkeit einsetzt, geht von allein 11,5 Billionen US-Dollar Privatvermögen aus, das in Steuerparadiesen angelegt ist. Deutsche Steuerausfälle durch Gewinnverlagerung werden auf 65 Milliarden Euro jährlich geschätzt.

Fachleute unterscheiden zwischen Regulierungs- und Steueroasen, wobei viele der Territorien beides sind. So gilt die Schweiz als Steueroase, unterwirft ihre Finanzwirtschaft aber ansonsten international üblicher Regulierung. Getrennt betrachtet werden auch die Nutznießer: Das sind einerseits private Anleger, andererseits aber große Unternehmen, die sowohl Steuern vermeiden wollen – was in der Bundesrepublik als legal bewertet wird – als auch Steuern hinterziehen oder Nutzen aus sogenannten Schattenbanken oder Zweckgesellschaften ziehen. Die dabei aufgebauten Risiken wurden von den Finanzmarktakteuren unterschätzt. Bei vielen Banken, die kürzlich in Schwierigkeiten gerieten, sind Verbindungen zu Regulierungsoasen nachweisbar. Sowohl die IKB als auch die SachsenLB hatten Geschäfte mit verbrieften US-Hypotheken unter anderem nach Irland ausgelagert. Von den weltweit 9000 Hedge- Fonds, oft von Investmentbanken betrieben, haben die meisten ihren Sitz auf den Cayman Islands. Für Experten ist es deshalb naheliegend, dass die Nutzung der Offshorefinanzzentren für die Banken die Regel war und noch ist.

An erster Stelle der möglichen Schritte gegen Steuerparadiese steht die Erzwingung von Transparenz. Von akademischer Seite wird bestätigt, dass die tatsächlichen Vorgänge um die Milliardensummen im Dunkeln bleiben, wie Jan Pieter Krahnen von der Universität Frankfurt am Main erklärte: »Es gibt praktisch keine Forschung und keine Daten zu den Regulierungsoasen – bis heute.« Jack Blum, US-amerikanischer Rechtsanwalt und Regierungsberater, erläuterte: »Der Mangel an Transparenz hat die Banken reich gemacht. Für unverständliche Finanzprodukte konnten sie freie Preise bilden und Gewinne erzielen, die für alle anderen unsichtbar bleiben.« Kritiker wie der Grünen-Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick nennen die OECD-Standards zu lasch und fordern einen automatischen Informationsaustausch, wie er EU-weit durch die Zinssteuerrichtlinie vorgesehen ist.

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