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Unternehmer und IG-Metall-Mitglied

Im Aluminiumwerk Unna haben der frühere Betriebsratschef und die Mitarbeiter das Sagen

  • Manfred Wieczorek, Unna
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Unternehmen im östlichen Ruhrgebiet beschreitet andere Wege – und steuert problemlos durch die Krise.
Unternehmer Thomas Wiese und Betriebsrat Karl Römer
Unternehmer Thomas Wiese und Betriebsrat Karl Römer

Gute Nachrichten sind in der Krise rar. Kein Wunder, dass Thomas Wiese in den letzten Wochen oft in den Medien zu sehen war. Rund 50 Millionen Euro investiert seine Firma Aluminiumwerk Unna AG in zwei neue Strangpressen. Die erste wird 2010, die zweite 2011 die Produktion aufnehmen. 150 neue Jobs sollen entstehen.

Doch vollmundig Patentrezepte zu verkünden, ist nicht die Sache von Thomas Wiese. Aber den einen oder anderen Tip hat er für andere Firmen schon parat: nicht die Bodenhaftung verlieren, nicht zu schnell zu groß werden wollen, sich nicht von einem Großkunden abhängig machen, Geld für Investitionen und schlechte Zeiten zurücklegen, bereit sein, Fehler zu korrigieren, die Belegschaft einbinden und mit dem Betriebsrat gemeinsam nach Lösungen suchen. Klingt gar nicht so schwierig und recht plausibel.

Vielleicht muss man aber, wie der heute 42-jährige Unternehmer, mal aus einer ganz anderen Perspektive erfahren haben, was sich hinter dem Wort Krise verbirgt. »Wer einmal die Angst vor Arbeitslosigkeit in den Augen der Menschen gesehen, ihre Hilflosigkeit gespürt und erlebt hat, wie sich gestandene Männer weinend in die Arme fallen, der vergisst das nicht. Die Bilder gehen dir nicht aus dem Kopf oder, Karl?«, sagt Thomas Wiese. »Nein, bestimmt nicht«, bestätigt Karl Römer, seines Zeichens Betriebsratsvorsitzender.

Der Unternehmer und der Mitarbeitervertreter kennen sich seit mehr als zwei Jahrzehnten. Vor neun Jahren war Karl Römer noch der Stellvertreter von Thomas Wiese – als Betriebsratsvorsitzender. Dann wechselte Wiese die Seiten, tauschte den Blaumann gegen das Jackett. Für eine Mark erwarb er das vor der Insolvenz stehende Alu-Werk – und fast 20 Millionen DM Schulden. Gemeinsam mit IG Metall und Betriebsrat tüftelte er an einem Konzept zur Rettung des Unternehmens und verlangte der Belegschaft dabei einiges ab. Doch der Verzicht auf das Weihnachtsgeld und die unbezahlte Mehrarbeit zahlten sich aus. Entlassungen konnten vermieden, das Werk konnte gerettet werden.

Heute besitzt die Belegschaft über einen Verein 25,1 Prozent des Unternehmens, was ihr ein Mitspracherecht und eine Sperrminorität sichert. Vorsitzender des Vereins ist der ehemalige 1. Bevollmächtigte der IG Metall Unna, Winfried Stockmann. Wiese hält 72,7 Prozent der Aktien, der kleine Rest ist im Streubesitz.

»Wir haben damals auch großes Glück gehabt«, blickt der Unternehmer mit IG-Metall-Mitgliedschaft zurück. Die 50 Millionen schwere Investition will er nicht als unternehmerische Glanztat verstanden wissen. »Unseren Markt kennen wir ganz genau. Auch bei uns sind die Aufträge um rund 30 Prozent zurückgegangen. Doch wenn die Konjunktur anspringt, wollen wir gut aufgestellt sein«, sagt Thomas Wiese. Jetzt sei die richtige Zeit, um zu tun, was in der Boomphase nicht möglich gewesen sei. »Da liefen die Maschinen durch, mussten notdürftig geflickt werden, um die Aufträge abarbeiten zu können«, weiß Karl Römer. Teilweise mussten den Kunden bis zu 60 Monaten Lieferzeit zugemutet werden. Das soll mit den neuen Strangpressen anders werden.

Durch die Krise will man bei Alu Unna ohne Entlassungen und auch ohne Kurzarbeit kommen. Helfen soll dabei ein ausgeklügeltes Arbeitszeitmodell mit einem Zeitkorridor von bis zu 160 Plus- und 160 Minusstunden. »›Seid ihr verrückt, wie könnt ihr sowas machen‹, hieß es, als wir das Modell vorstellten«, erinnert sich Karl Römer an Reaktionen aus der Belegschaft. »Heute sind alle froh, dass wir es gemacht haben.«

Natürlich ist es nicht überall so wie bei Alu Unna. Kaum ging die Ankündigung 150 neuer Jobs durch die Medien, wurde beim Pförtner mehr als die doppelte Anzahl Bewerbungen persönlich abgegeben.

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