Tanzend gegen Machos

Kubanische Formation präsentiert Karibik jenseits der Klischees

  • Lesedauer: 3 Min.
Keine Zigarren, kein Rum, keine älteren Herren in weißen Anzügen: Die Tanzformation Lizt Alfonso Dance Cuba aus Havanna präsentiert Karibik jenseits aller Klischees. Zum ersten Mal gastiert die Truppe in Deutschland, zeigt noch bis zum 9. August in Hamburgs Schauspielhaus die Show »Fuerza y Compás», Kraft und Takt. Mit Kubas wichtigster Choreographin, der Ensemble-Chefin LIZT ALFONSO (42), spricht ND-Autor RENÉ GRALLA.
Lizt Alfonso
Lizt Alfonso

ND: Ihre Show überrascht mit deutlichen Flamenco-Elementen. Was hat Flamenco mit Kuba zu tun?
ALFONSO: Ihre Frage basiert auf einem Missverständnis. Über viele Jahre hat sich in Europa der Eindruck verfestigt, dass die kubanische Kultur im Wesentlichen von afrikanischen Einflüssen geprägt ist. Aber Kuba ist ein Mix verschiedener Kulturen, von Spanien über die arabische Welt bis nach China.

Viele Menschen in Deutschland verbinden die Musik des »Buena Vista Social Clubs« mit Kuba.
Das wiederum ist richtig! Der »Buena Vista Social Club« ist Kuba durch und durch. Son, Cha-Cha-Cha und Bolero, das ist der klassische Rhythmus Kubas. Das einzige Problem dabei: Nicht wenige glauben nun, dass sich unsere Musik seit den 50er Jahren nicht mehr verändert hat. Aber natürlich sind wir nicht stehen geblieben.

Spielen die Flamenco-Bezüge in Ihrer Show darauf an, dass viele der Conquistadores, die Kuba eroberten, aus Südspanien kamen?
Was Sie als Flamenco bezeichnen, ist kein echter Flamenco. Wie wir uns bewegen, ist etwas anderes. Wir wollen eine Fusion aus klassischem Ballett, Flamenco, afro-kubanischen Rhythmen, Escuela Bolero – das ist die spanische Ballettschule – und Rumba.

Ein Versuch, sich gegen stereotype Vorstellungen abzugrenzen, die über Kuba herrschen?
Genau, ich hasse Klischees!

Die aktuelle Show »Fuerza y Compás« hatte 1999 Premiere. Warum sind Sie damit jetzt nach Deutschland gekommen?
»Fuerza y Compás« ist wie unsere Visitenkarte: Hallo, ich bin Lizt Alfonso aus Kuba, das ist meine Arbeit. Unsere jüngste Produktion heißt »Vida«, das Leben. Sie handelt von Kubas Geschichte seit den 1930er Jahren bis zur Gegenwart. Vielleicht kommen wir nächstes Jahr mit »Vida«.

Sie sind als Kind an der Aufnahmeprüfung für die staatliche Ballettschule gescheitert.
Da war ich am Boden zerstört – eine Woche lang, dann habe ich gesagt: Ich mache das trotzdem.

1991 gründeten Sie ein eigenes Ensemble. Wie hat das funktioniert, wo der Staat großen Einfluss auf die Kulturpolitik nimmt?
Der Freiraum ist da. Es liegt daran, wie Sie ihn nutzen. Wenn Sie mit dem Kopf gegen die Wand rennen, erreichen Sie nichts. Was heute nicht funktioniert, kann morgen schon klappen. Ansonsten kämpfen Sie mit den gleichen Schwierigkeiten, die Sie hätten, wenn Sie so ein Unternehmen in New York oder anderswo starten. Sie brauchen Unterstützung, Sponsoren. Am Anfang traten wir ohne Gage auf. Aber meine Familie und Freunde haben an mich geglaubt und mich unterstützt.

Bis Sie Fidel Castro gesehen hat – ein Extraschub für Ihre Karriere.
Wir waren Teil einer Show, zu der Kubas Nationalballett und der »Buena Vista Social Club« gehörten. Fidel Castro saß im Publikum, ihm gefiel unsere Choreographie.

Später haben Sie ein Interview mit Fidel Castro geführt ...
... er ist eine großartige Person.

Heute sind Sie eine Institution.
Wir haben ein festes Haus, meine eigene Ballettschule, dort lernen tausend Kinder und Jugendliche.

In Ihren Stücken tanzen nur junge Frauen. Warum?
Weil wir Frauen viele Dinge zu sagen haben. Wir kommen aus einer Macho-Kultur, und deswegen zeigen wir den Männern, wie wir die Welt sehen.

»Havana Woman« ist Titel eines Albums des Hamburger Produzenten Walter Wigand. Ein Song gipfelt in Fidels Zitat »Patria o muerte«. Wie gefällt Ihnen das?
Ich habe Walter Wigand kürzlich getroffen, er hat mir die CD gegeben. Aber ehrlich gesagt hatte ich noch keine Zeit reinzuhören.

Lizt Alfonso Dance Cuba mit »Fuerza y Compás« bis 9. August im Schauspielhaus Hamburg; Infos: www.tivoli.de

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