Asse-Ausschuss stochert im Nebel

Erste Zeugenbefragungen bringen nicht viel / Opposition spricht von Verzögerungstaktik

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Unter großem Medienandrang hat der Asse-Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtags am Donnerstag die inhaltliche Arbeit aufgenommen. Als erster wurde Dr. Karl Niklas in den Zeugenstand gerufen. Doch der 82-jährige konnte nicht viel zur Aufklärung beitragen.

Niklas war in den 1960er und 1970er Jahren beim früheren Betreiber des Bergwerks GSF als Arzt unter Vertrag. Von Störfällen in der Asse oder überschrittenen Grenzwerten bei Mitarbeitern wisse er nichts, sagte er. Er sei damals zwar für den Arbeitsschutz der Beschäftigten zuständig gewesen, das Personal habe er bei seinen Besuchen vor Ort aber nicht persönlich untersucht. Das hätten eigens dazu »ermächtigte« Kollegen getan. Berichte über gesundheitliche Probleme von Asse-Mitarbeitern durch Strahlenbelastungen habe er von diesen Kollegen in keinem Fall erhalten.

Bei der Frage, welche radioaktiven Stoffe unter Tage eingelagert wurden, musste der Mediziner ganz passen. »Uns wurde immer wieder mitgeteilt, dass es sich um Material mit geringen Aktivitäten handelt«, sagte Niklas. Dass das Bergwerk einzustürzen und voll Wasser zu laufen droht, will der Zeuge erst durch die Medien lange nach seiner Pensionierung im Jahr 1989 erfahren haben. Diese Berichte hätten »wie eine Bombe« auf ihn gewirkt.

Nach der Befragung von Niklas und dem ebenfalls längst pensionierten Bergbeamten Jürgen Schubert – ein weiterer Zeuge im fortgeschrittenen Alter hatte sich, weil er auf Spiekeroog kurt, entschuldigen lassen – mussten die Medienvertreter den Saal verlassen. In nichtöffentlicher Sitzung diskutierte der Ausschuss über sein weiteres Vorgehen. Einem Antrag der SPD, Siemens-Konzernchef Peter Löscher zu hören, wurden dabei wenig Chancen eingeräumt. Die Oppositionsfraktionen SPD, Grüne und LINKE stellen insgesamt nur sechs der 13 Ausschussmitglieder.

Löscher sollte zur Einlagerung von hochradioaktivem Müll in das Bergwerk befragt werden, sagte SPD-Obmann Detlef Tanke vor der gestrigen Sitzung. Das ARD-Magazin »Monitor« hatte kürzlich über Hinweise berichtet, wonach in der Asse entgegen allen offiziellen Bekundungen doch hochaktive Abfälle verklappt sein könnten.

Ohnehin halten die Oppositionsparteien die Frage für dringlich, welche radioaktiven Stoffe überhaupt in der Asse lagern. Doch die Mehrheitsfraktionen haben durchgesetzt, dass die Asse-Geschichte chronologisch aufgearbeitet wird. CDU und FDP setzten auch durch, dass mit Blick auf die Bundestagswahl vorerst keine ehemaligen und gegenwärtigen Landes- und Bundesminister, die Verantwortung für die Asse trugen, vom Ausschuss gehört werden. Das sei doch Wahlkampfklamauk, den man so nicht mitmachen werde.

Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) hat es bereits abgelehnt, persönlich vor Untersuchungsausschuss zu treten. Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel schalt ihn daraufhin als »Feigling«. Durch die gestrige Zeugenbefragung fühlt sich Wenzel bestätigt: »Man hätte zuerst die heute politisch für die Asse Verantwortlichen befragen müssen.«

SPD, Grüne und LINKE werfen der Landesregierung auch Verschleppung vor. So seien zahlreiche schon vor Wochen angeforderte Akten dem Ausschuss noch nicht ausgehändigt worden. Dabei versichern alle Fraktionen, es gehe ihnen ausschließlich um Aufklärung der Pannen und Pleiten in der Asse. Vor der Bundestagswahl jedenfalls ist kaum mehr mit brisanten Enthüllungen zu rechnen. Die Opposition sieht ihre Stunde aber noch kommen. Denn die Arbeit des Kontrollgremiums wird sich wohl über mehrere Jahre erstrecken.

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