Die kleine Schwester des Baseballs

Beim Softball sind die Spieler mit ständigem Scheitern konfrontiert – und widerstehen

Wenn die Leichtathleten im August in Berlin um die Weltmeisterschaft kämpfen, dann stehen Ausnahmetalente wie Ariane Friedrich oder Usain Bolt im Rampenlicht. Sie sind Stars und Vorbilder. Diese ND-Sommersport-Serie schaut nicht ins Olympiastadion, sondern auf die Kunstrasenplätze und Schwimmbecken, in die Parks und Hinterhöfe: Welchen Sport treiben Freizeitathleten, die niemals Rekorde brechen? Woher schöpfen sie die Motivation und die Leidenschaft?
Wenn er den Ball mit der Keule trifft, läuft er los – wenn nicht, ist er out.
Wenn er den Ball mit der Keule trifft, läuft er los – wenn nicht, ist er out.

Anke-Maria Grewe schaut zufrieden aus, wenn sie auf dem Platz steht. Für ihren Wurf nimmt sie einen Schritt Anlauf, geht mit dem linken Fuß vor, zieht den rechten nach, während ihr rechter Arm rückwärts kreist und den Ball am Tiefpunkt loslässt. Mit diesem Unterhandwurf »pitcht« sie den Ball aus 13 Metern Entfernung zum »Batter«, dem schlagenden Spieler aus dem gegnerischen Team.

»Der Schwung kommt aus dem Handgelenk, Hüfte und der kreisenden Armbewegung«, erklärt Rainer Matthias, Trainer der »Hall of Famers«. Wenn Anke-Maria Grewe, den Ball mit dieser federleichten Bewegung wirft, dann ist das ein Tanz, und gleichzeitig sind ihre Würfe ein Angriff. Denn sie pitcht den Korkball zielgenau und pfeilschnell und treibt ihre Gegenüber, die den Ball mit der Aluminiumkeule ins Feld schlagen wollen, regelmäßig in die Verzweiflung.

Softball ist die kleine Schwester des Baseballs. Der Ball ist genauso hart, aber größer und wird mit dem Unterhandwurf gepitcht. Ziel des Spiels ist es, die markierten Eckpunkte eines Quadrates, die »Bases«, so schnell wie möglich abzulaufen, um Punkte zu sammeln. Als Startschuss für einen Lauf muss ein Spieler den Ball mit der Keule ins Feld schlagen. Anke-Maria Grewe ist eine exzellente Werferin, die kaum Schläge zulässt. Genau fünf Läufe sind daraus in der bisherigen Saison entstanden. Das bedeutet den zweiten Tabellenplatz in der Berliner Mixed-Softball-Liga. Die »Hall of Famers« haben die Play-offs der Liga erreicht.

Die US-Amerikaner waren die ersten, die in Berlin Softball spielten. Auf dem Flughafen in Tempelhof haben sie zwei verwaiste Plätze im Niemandsland zurückgelassen. »Die Aktiven möchten daraus natürlich eine neue Heimstadt machen«, erzählt Rainer Matthias. »Das würde dem Sport gut tun«, fügt er an. Denn Softball ist in Deutschland nicht sehr verbreitet, obwohl das Spiel bei den Olympischen Spielen in Peking eine Turnier-Disziplin war.

Es kann in einer Slowpitch-Variante gespielt werden – der Pitcher wirft den Ball in einem Bogen ein – oder in einer Fastpitch-Version, mit Werferinnen wie Anke-Maria Grewe. Fünf Jahre spielte die 27-Jährige bei den »Mannheim Tornados« im Frauenteam auf höchstem Niveau. Vier- bis fünfmal habe sie in der Woche trainiert, erzählt sie. »Dazu kamen die Spiele« – nicht nur im Verein, sondern auch im Nationalteam. Jetzt ist die gebürtige Berlinerin wieder zurück in der Hauptstadt und spielt nach Feierabend bei den »Hall of Famers«.

Alexis Linares Paez ist ihr Spielertrainer. In Kuba war er ausgebildeter Baseballtrainer, hier müsste er bezahlen, um in der Baseball-Bundesliga zu spielen. Deshalb ist auch er beim Softball gelandet. Im Spiel gegen die »Banditos« trifft er einen Ball wunderschön, so dass er weit über das Feld hinweg ins Niemandsland fliegt und die Läufer alle Zeit der Welt haben, um eine Base nach der anderen abzulaufen. Die Freude steht den Spielern ins Gesicht geschrieben. Am Ende gewinnen die »Hall of Famers« haushoch. Nach den sieben Spielabschnitten, die Innings heißen, steht es 25:0. Eine klare Sache.

Softball ist ein taktisches Spiel. Wer sich ungeschickt anstellt, kann noch so schnell rennen und wird doch zwischen zwei Feldern abgeschlagen. Ein Halbinning dauert solange, bis drei Spieler der schlagenden Mannschaft »out« sind. Dann wechseln die Teams die Positionen – die verteidigende Mannschaft wird zur laufenden. »Softball ist ein Spiel des ständigen Scheiterns. Dem muss man widerstehen«, erklärt Rainer Matthias die Faszination des Sports. Das Duell zwischen dem Schlagenden und dem Werfenden ist der Mittelpunkt des Spiels. Nicht alle Würfe sind präzise und die Schläge nur selten perfekt. »Man muss ausharren können.« Aber wenn ein Schlag sitzt, dann beginnt der Wettlauf.

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