Das Bierzelt kann den Hass nicht besiegen

Stefan Otto meint: Die vielen Angriffe auf Politiker im Wahlkampf verwundern nicht

Wahlkämpfe sind in Deutschland von Gegensätzen geprägt. Geworben wird um Ideen und Konzepte. Die Kampagnen sind auf Personen zugeschnitten, die Rezepte für eine heile Welt anreichen. Auch wenn der Alltag für viele ein ganz anderer ist und von Unsicherheiten, Herausforderungen oder manchmal auch Überforderungen geprägt ist. Von diesen Ängsten versucht vor allem die AfD zu profitieren. Deren Vertreter wettern oft ziemlich aggressiv gegen andere Parteien und den ganzen Politikbetrieb, in dem sie in den vergangenen Jahren selbst immer mehr Gewicht erlangt haben. Inzwischen wird es zunehmend schwerer, demokratische Mehrheiten zu bilden und konstruktive Entscheidungen zu treffen – was in der Bevölkerung noch mehr Frust schafft.

Viele waren erschrocken, als am Freitagabend der SPD-Abgeordnete Matthias Ecke im Wahlkampf angegriffen und so schwer verletzt worden ist, dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Reflexartig erfolgen Stellungnahmen, die den Vorfall verurteilten und forderten, dass die Wahlkämpfenden besser geschützt werden müssten. Das dürfte aber schwer werden. Attacken auf Politiker gibt es inzwischen ständig. Im Wahlkampf suchen sie ja die Öffentlichkeit und werden damit zu einem leichten Ziel. Auch Nancy Faeser (SPD) wird als Bundesinnenministerin wohl keinen Rundumschutz liefern können.

Um die Lage nachhaltig zu befrieden, braucht es eine neue politische Kultur, die Wert auf einen Austausch legt, in der Verunglimpfungen keinen Platz haben und in der aufgehört wird, mit Unwahrheiten zu spielen. Längst bedienen sich nicht nur Abgeordnete der AfD solcher Mittel. Um der zunehmenden Gewalt gegen Politiker nachhaltig zu begegnen, braucht es mehr Besonnenheit, aber gewiss keine leeren Versprechungen und auch keine populistischen Anflüge in Bierzelten. Die vergiften die Atmosphäre nur.

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