Vorstadthelden auf dem Festplatz
Das Autokino am Kurt-Schumacher-Damm hat seit kurzem wieder eröffnet
Zwei Mädchen im Petticoat gehen von Auto zu Auto und reichen Popcorn und Cola durchs Fenster. Dazu läuft Rock’n’Roll-Musik in der Dämmerung. Sebastian Böhm will mit seinem Drive-in an die große Zeit des Autokinos während der 50er Jahre in den USA erinnern.
Zur Eröffnung hat der Betreiber Cadillacs gemietet. »Die Fotos kamen nicht schlecht«, sagt er. Aber sonst sieht es noch improvisiert aus im Autokino auf dem geschotterten Festplatz am Kurt-Schumacher-Damm. Das Areal ist mit Flatterband abgesteckt, und die 35 Millimeter-Filme werden aus einem Bauwagen auf die Leinwand geworfen. Der stammt noch vom vormaligen Betreiber Henry Musch aus der letzten Saison.
Als Musch das Autokino nicht mehr weiterführen wollte, übernahm Böhm kurzerhand mit seinem Partner Fabian Mahr das Geschäft. »Da war die Freiluftsaison schon im Gange«, erzählt der 26-Jährige. In dreieinhalb Wochen stellten sie ein Mitarbeiterteam zusammen, bauten das Stahlgerüst für die Leinwand auf, fanden einen Verleiher und rührten die Werbetrommel. Am 18. Juli war Premiere. Dann lief »Transformers – Die Rache«, ein Blockbuster, weitgehend handlungsfrei, mit Kämpfen zwischen Robotern, die so groß wie Dinosaurier sind.
Ein Roman zum Film würde nur ein schmales Heftchen sein. Dabei hat der Streifen Überlänge. Sebastian Böhm sitzt vor einer Holzhütte, in der eine Bar eingerichtet ist, und sieht etwas gelangweilt zu, wie eines dieser Elektroviecher aus dem Film die Brooklyn-Bridge in New York auseinander nimmt.
Im benachbarten Wäldchen zirpen die Grillen, und der Toilettenwagen etwas abseits erinnert ans Campen: Eine riesige Kreuzspinne hangelt sich durch ihr Netz am Fenster und könnte fast ein Vorbild für die Filmroboter sein – wenn man nicht wüsste, dass die Transformer-Figuren als Kinderspielzeug in den 80er Jahren populär waren.
»Mit einem solchen Film muss man anfangen«, meint Böhm, der bereits vier Jahre lang das Kino »Die Kurbel« in Charlottenburg geleitet hat. Er richtet sich an den Geschmack der Masse. Neben Autofreaks mit tiefer gelegten Wagen will er auch Familien mit Kindern und Mittfünfziger anlocken, wie das Ehepaar Schick aus Marzahn.
»Das Navi hat uns hergelotst«, sagt Herr Schick. Frau Schick hat den Film ausgesucht. Er ist noch skeptisch und vermisst den üblichen Kinokomfort. Alles sei ein bisschen spartanisch, und »wenn ich mich mit dem Wagen nach vorne stellen würde, könnte keiner mehr was sehen«, bemerkt Herr Schick. Er fährt einen VW-Caddy. Es gibt keine festen Stellplätze. Jeder sucht sich sein Plätzchen, bekommt die Frequenz mitgeteilt, mit der übers Autoradio der Ton empfangen wird. Betreiber Sebastian ist zufrieden mit dem Beginn, auch wenn das Wetter anfangs nicht mitspielte. Es flimmerten mit Ice Age 3 die Dinosaurier in den Abend, waren die »Keinohrhasen« los, bevor Harry Potter erschien. Böhm träumt auch noch von Drei-D-Filmen. »Aber das ist Zukunftsmusik«, sagt er. Demnächst soll es die Trilogie »Der Pate« geben.
Das Ehepaar Schick bleibt heute bis zum Abspann. Auch wenn das aus dem Boden gestampfte Autokino noch unfertig wirkt. Vielleicht kommt gerade deshalb ein wenig Stimmung auf wie in einer amerikanischen Vorstadt.
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