Die Welt, wie sie uns gefällt
Parteien bastelten ihr Zukunfts-Modell
Der Finanzhai hat es dann doch nicht in die schöne neue Welt geschafft. Eigentlich wollten die LINKEN den bissigen Fisch in das FDP-Utopia »Oase der Freiheit« schmuggeln. »Den haben wir aber mit heißer Luft weggeblasen«, scherzte der freidemokratische Rechtsexperte Jörg von Essen, als gestern in Hamburg Miniaturmodelle eines zukünftigen Deutschlands im Maßstab 1:87 vorgestellt wurden.
Das Miniatur Wunderland, eine groß dimensionierte Modelleisenbahnanlage in der Hamburger Speicherstadt, hatte den sechs Bundestagsparteien jeweils einen Quadratmeter Gestaltungsfläche überlassen. »Wir wollten versuchen, den Menschen ein Bild von Politik zu geben«, sagte Initiator Frederik Braun. Die Ergebnisse sind seit gestern in der Ausstellung »Utopia – Visionen der Parteien im Modell« zu sehen.
Gemein ist den Modellen die Liebe zum Detail, konzeptuell treten deutliche Unterschiede zutage. Die CDU verzichtete ganz auf Bauten und präsentiert etwa 10 000 Mini-Menschen, die in Schwarz-Rot-Gold und einem weißen »Wir« formiert Transparente wie »Schuldenbremse« oder »Familien stärken« hochhalten. Die SPD zeigt eine gemütliche Innenstadt rund um den Willy-Brandt-Platz und benennt ihre Universität nach Johannes Rau – in Konkurrenz zur FDP, die Ralf Dahrendorf als Uninamenspatron gewählt hat und in ihrem Deregulierungsfuror auch auf ein »Denkmal für die Glühbirne« nicht verzichtet hat.
Buchstäblich überragend stellt keine Partei die Zukunft dar. Wer als Hochhausbewohner die Ausstellung besucht, kann sich schon mal auf einen Umzug einstellen. Mehr als vier Stockwerke besitzt keines der Gebäude in den Modellen. Dominant sind Altbau und Glaspalast, höchstes Bauwerk ist ein Windrad, das »Grünland« mit Energie versorgt. »Unsere Visionen lassen sich sehr gut visualisieren«, warb Bildungsexpertin Krista Sager für das grüne Projekt. Das Windrad überragt selbst das »BankAsino« der LINKEN, von dessen Dach Wirtschaftsvertreter auf einen Demonstrationszug hinab blicken. Die LINKE hat mit dem Hamburger Schanzenviertel einen realen Raum modellhaft umgestaltet, in dessen Volxküche nicht nur Friede, Freude und Eierkuchen serviert werden. »Eine freundliche Zukunft muss erst erstritten werden«, erklärte der Bundestagsabgeordnete Ulrich Maurer und verwies auf das demnächst anstehende Konzert der Rio-Reiser-Revival-Band in der Roten Flora.
Auch die CSU hat sich an einem vorhandenen Raum orientiert und diesen mit starkem Hang zum Surrealen ausgefüllt. Sie schickte bierselige Besatzungstruppen nach Berlin, die einen Trachtenumzug durch das weiß-blau gestrichene Brandenburger Tor abhalten. Leider traute sich wohl kein CSU-Politiker zur Vorstellung des Modells nach Hamburg – wie Bavaria und der bayerische Löwe die Siegesgöttin Victoria und ihre Quadriga vom Brandenburger Tor geschubst haben, blieb jedenfalls offen.
Die ewig junge Utopistin Pippi Langstrumpf (»Wir bauen uns die Welt, wie sie uns gefällt«) war auch noch nicht da. Dafür können die Besucher in Wahlkabinen abstimmen, welches Zukunftsmodell ihnen am besten gefällt. »Wenn nur zehn Leute danach zur Wahl gehen statt nur über die Politik zu schimpfen, sind wir glücklich«, wurde Frederik Braun schließlich ganz zum Modell-Pädagogen, »wenn es mehr sein sollten, sind wir glücklicher«.
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