Schlappen für CDU in Schleswig-Holstein

Opposition im Kieler Landtag nutzte nach Koalitionsbruch die Gunst der Stunde und ihre Mehrheiten

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Koalitionsbruch in Schleswig-Holstein regiert die CDU alleine und kassierte mehrere – angesichts der Neuwahlen am 27. September eher symbolische – Abstimmungspleiten im Landtag.

Zustände ganz im Sinne des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) erlebte man im Kieler Landtag noch mal in der letzten Plenardebatte der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode. Beobachter durften sich ob des Abstimmungsverhaltens zu Anträgen und Gesetzentwürfen die Augen reiben und fragen, ob sie sich in einer Bunten Republik Holstein befinden. Unter anderem die Rote Karte für die beiden AKW Krümmel und Brunsbüttel, ein Bekenntnis gegen Gentechnik, ein Nein zur unterirdischen CO2-Speicherung, und ein Beschluss zum Bleiberecht für Flüchtlinge, all dies mit wechselnden Mehrheiten war schon ein munterer Farbtupfer inmitten des aktuellen Landtagswahlkampfes. Die nach dem Koalitionsbruch in Schleswig-Holstein allein regierende CDU kassierte dabei gleich mehrere Abstimmungspleiten.

Für den SSW, der die dänische Minderheit vertritt, waren die Sitzungen am Mittwoch und Donnerstag politische Sternstunden. Was in Skandinavien gängige Praxis ist, kennt man in deutschen Parlamenten nicht, wo stets eine Lagerbildung zwischen Regierung/Koalition und der Opposition zur Schau gestellt wird. Wechselnde Mehrheiten und bunte Farbspiele ließ auch die Grünen frohlocken. Der scheidende Fraktionschef Karl-Martin Hentschel freute sich so über eine Mehrheit der so genannten Dänen-Ampel (SPD, Grüne, SSW) für eine endgültige Stilllegung der von Vattenfall verantwortlich betriebenen Reaktoren Krümmel und Brunsbüttel, ein bundesweites Verbot unterirdischer CO2-Speicherung, einen Beitritt Schleswig-Holsteins zum europäischen Netzwerk »Gentechnikfreie Regionen« und die Einführung eines Mindestlohns, aber auch über eine »Seychellen-Mehrheit« (SPD, Grüne, FDP, SSW) beispielsweise für eine Verfassungsklage gegen die auf Bundesebene erhobene Schuldenbremse, für eine einheitliche Sozialstaffel bezüglich Kita-Beiträge sowie eine humanere Bleiberechts- und Flüchtlingsaufnahmepolitik.

Am heftigsten tobte die Debatte bei den Themen HSH Nordbank und Anwendung der Carbon & Capture Storage-Technik (CCS). Nach Vorlage eines mageren Zwischenberichtes vom Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Vorgängen und Verantwortlichkeiten bei der finanziell an den Abgrund geratenen HSH Nordbank rückten CDU und FDP dicht zusammen. Für Union und Liberale rückt die SPD in Person von Ex-Ministerpräsidentin Heide Simonis und dem jetzigen Landeschef Ralf Stegner in die Rolle des »schwarzen Peters«. Die Grünen fokussierten ihre Vorwürfe gegen den CDU-Finanzminister Rainer Wiegard.

In Sachen CO2-Verpressung waren sich alle Fraktionen einig, dass gegen 75 000 Unterschriften aus den betroffenen Regionen aus Nordfriesland und dem Kreis Schleswig-Flensburg Vorhaben dieser Art nicht durchsetzbar seien. CDU und FDP zweifelten aber die Glaubwürdigkeit von dazu gemachten SPD-Aussagen an, weil Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) weiter für eine CCS-Akzeptanz plädiert und auch entsprechende Aussagen zur Förderung der Steinkohlepolitik aus den Reihen der Sozialdemokraten existieren. Die Nord-Genossen wiederum konterten und sprachen davon, dass die Bundes-CDU an CCS-Plänen festhalten würde und verwiesen auf ein entsprechendes »internes Thesenpapier« der Union.

So spannend wie es zeitweise im Plenarsaal zuging, so gefesselt blicken die Nord-Parteien auch auf die jüngste Umfrage von Infratest dimap zur Landtagswahl. Alles deutet auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin. Auf der einen Seite beanspruchen CDU (33 Prozent) und FDP (14) eine Option fürs künftige Regieren, dagegen bringen in der Prognose SPD (25), Grüne (13), SSW (5) sowie die auf den erstmaligen Einzug hoffende LINKE (6) in der Summe zwei Prozent mehr zusammen. Durch ein Plus an Überhangmandaten dürfte es dennoch knapp für Schwarz-Gelbe reichen. Gekippt ist die Stimmung zur Regierungspräferenz. Demnach wünschen sich 43 Prozent eine von der SPD geführte Regierung. Nur 41 Prozent bevorzugen hier die CDU. Auch in seiner Beliebtheit knickt der amtierende Ministerpräsident Peter Harry Carstensen ein. Er liegt bei 42 Prozent, während Stegner es auf 33 Prozent bringt. Anfang August lagen beide noch 36 Prozent auseinander!

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