Kontrollwahn

Frank Bsirske fordert, öfter in Menschen, statt in Technik zu investieren

  • Lesedauer: 2 Min.
Der 57-Jährige ist Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
Der 57-Jährige ist Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.

Früher sprach man davon, dass uns die neuen Informationstechniken mehr Demokratie bringen würden. Und selbstbestimmteres Arbeiten. Doch heute stehen wir hier, und ringen darum, unsere mühsam erkämpften Grundrechte zu erhalten. Mit dem Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnik ist der Kontrollwahn ausgebrochen – in Staat, Wirtschaft und Arbeitswelt.

Arbeitgeber behandeln ihre Mitarbeiter zunehmend wie Leibeigene. Sie nutzen die neuen Technologien, um zu erfahren, wo sich ihre Mitarbeiter aufhalten, mit wem sie reden, mit wem sie telefonieren, mit wem sie E-Mails austauschen, was sie denken, ob und wie sie sich gewerkschaftlich engagieren. Arbeitgeber speichern Daten über Ursachen von Krankheiten ihrer Mitarbeiter – von denen sie gar nichts wissen dürften.

Wir brauchen einen verantwortungsvollen Umgang mit den Informations- und Kommunikationstechniken. Der Staat muss da mit gutem Vorbild vorangehen. Datensparsamkeit und die Wahrung der informationellen Selbstbestimmung sollten sein oberstes Ziel sein. Doch wie geht er beispielsweise mit den Ärmsten im Land um? Denjenigen, die in finanzielle Not geraten sind und als Hartz-IV-Empfänger Arbeit suchen?

Die Bundesagentur für Arbeit ist auf dem Holzweg, wenn sie sich vom digitalisierten Sammeln sensibler Daten erwerbsloser Menschen eine Verbesserung der Vermittlung erhofft. Persönliche, teils intime Daten, die nach dem Schema einer vorgegebenen Software abgespeichert und bundesweit in allen Jobcentern zugänglich sind! Statt diesen unhaltbaren Zustand endlich abzustellen, soll jetzt der Bereich der bundesweit zugänglichen Daten noch erweitert werden – erweitert auf die Empfänger des Arbeitslosengelds.

Und nicht nur die Bürger, sondern auch die Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit sind betroffen: Mit Software kann ihre Leistung und ihr Verhalten geprüft werden.

Überhaupt sollten endlich Software-Kosten und Qualität der Leistung überprüft werden. Gerade, wo es um das Versprechen von Sicherheit geht. Das führt manchmal zu abstrusen Auswüchsen. Es gibt Kitas, die einen Fingerabdruckscanner eingeführt haben, um sicherzustellen, dass nur die richtigen Eltern IHR Kind abholen. Was läuft da schief, wenn die Erzieherinnen die Eltern nicht erkennen? Sollte man in diesem Fall nicht, statt in Technik, in Menschen investieren?

Es ist an der Zeit, dass Politiker und Arbeitgeber verstehen, dass Datenschutz in die Entwicklungsphase von IT-Projekten gehört und nicht erst hinterher draufgepfropft wird. Es liegt in unserer Verantwortung, politische und infrastrukturelle Strukturen zu schaffen, die niemals missbraucht werden können. Im Zweifelsfall gehört dazu auch, dass man von manchen Projekten grundsätzlich die Finger lässt.

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