Fiskus: Wie viel Steuern müssen Rentner zahlen?

Senioren

  • Lesedauer: 4 Min.

Im Herbst bekommen einige Rentner Post – die Finanzämter erhalten elektronische Kontrollmitteilungen über alle Altersbezüge seit 2005 – gesetzliche Renten, Pensionen, betriebliche Altersversorgung, Privatrenten und Versicherungsbezüge. Anhand der neuen Steueridentifikationsnummern kann der Fiskus dann sämtliche Rentner kontrollieren und diejenigen herausfischen, die seit 2005 eine Steuererklärung hätten abgeben müssen.

Die Angaben, wie viele Senioren es betrifft, schwanken zwischen eins und fünf Millionen. Die Deutsche Steuergewerkschaft rechnet mit Rückforderungen von 300 bis 400 Euro pro Jahr und Fall und forderte eine Bagatellgrenze von 500 Euro. Das Bundesfinanzministerium allerdings teilte im August mit, dass es eine solche Bagatellgrenze nicht geben werde – fügte jedoch hinzu, die Auswertung werde »mit Augenmaß« erfolgen.

Fast alle Renten sind steuerpflichtig

Ob Senioren eine Steuererklärung abgeben müssen, hängt von der Höhe ihrer Renten und eventuellen Nebeneinkünften ab. Sie wird fällig, wenn die gesamten Einkommen den jährlichen Grundfreibetrag überschreiten. Dieser betrug bis zum Vorjahr 7664 Euro, bei Verheirateten 15328 Euro. Im Rahmen des Konjunkturprogramms der Bundesregierung wurde der Freibetrag für 2009 auf 7834 Euro für Alleinstehende und 15 668 Euro für Verheiratete angehoben. Ab 2010 wird der Grundfreibetrag bei 8004 bzw. 16 008 Euro liegen.

Alle Renten – ausgenommen die Verletztenrenten der Unfallkassen und Berufsgenossenschaften – zählen zum steuerpflichtigen Einkommen. Das galt auch immer für die gesetzliche Altersrente. Nur wurde das bis 2005 kaum bemerkt, weil sie bis dahin noch mit dem günstigen Ertragsanteil versteuert wurde.

Wer damals mit 65 eine gesetzliche oder private Rente bezog, bei dem wurden ganze 27 Prozent Ertragsanteil zur Berechnung der Einkommensteuer herangezogen. Das Gros der Rentner blieb deshalb vom Fiskus verschont. Mit dem seit 2005 geltenden Alterseinkünftegesetz wird die Altersrente komplett nachgelagert versteuert.

Da der Gesetzgeber den Rentnern den Schock der vollen 100 Prozent Besteuerung nicht sofort verabreichen wollte, gewährte er eine Übergangszeit bis 2040. Für alle, die 2005 erstmals oder bereits davor gesetzliche Altersrente bezogen, beträgt der steuerpflichtige Anteil »nur« 50 Prozent der jährlichen Rentenbezüge von 2005. Der steuerfreie Anteil wird in Euro lebenslang festgeschrieben. Wer dagegen 2006 Rentner wurde, bei dem zählen bereits 52 Prozent zum steuerpflichtigen Einkommen. Bei Neu-Rentnern des Jahres 2009 sind es 58 Prozent, bis 2040 einmal 100 Prozent versteuert werden müssen. Bei 1000 Euro Monatsrente berücksichtigt das Finanzamt für Neurentner des Jahres 2009 im Monat 580 Euro oder 6960 Euro insgesamt im Jahr.

Für Privatrenten ist der Ertragsanteil gesunken

Betriebsrenten sind zu 100 Prozent steuerpflichtig, wenn die Beiträge während des Arbeitslebens steuerfrei eingezahlt wurden – zum Beispiel im Rahmen der so genannten Entgeltumwandlung. Handelt es sich dagegen um eine Direktversicherung, deren Beiträge pauschal versteuert wurden, dann wird mit dem so genannten Ertragsanteil gerechnet. Dieser gilt auch für private Renten und wurde mit dem Alterseinkünftegesetz sogar gesenkt.

Anders als bei der gesetzlichen Rente hängt der Ertragsanteil nicht vom Kalenderjahr, sondern vom Lebensalter des Versicherten bei erstmaligem Rentenbezug ab. Geschieht das mit 60, gehen stets 22 Prozent der jährlichen Rentenbezüge in die Berechnung der Einkommensteuer ein. Bei 1000 Euro monatlicher Zusatzrente sind das 12 mal 220 Euro - also 2640 Euro für das ganze Jahr. Ist der Rentenempfänger bereits 65 Jahre alt, beträgt der Ertragsanteil nur noch 18 Prozent – macht 2160 Euro. Wer künftig mit 67 in Rente geht und erst dann seine private Zusatzrente beansprucht, hat gar nur 17 Prozent, in unserem Beispielfall 2040 Euro, zu versteuern. Das erklärt, warum die Versicherer immer wieder mit der günstigen Besteuerung von Privatrenten werben können.

Von seinem steuerpflichtigen Anteil der Renten kann ein Senior noch eine ganze Reihe von steuermindernden Tatbeständen abziehen: zum Beispiel den Werbungskostenpauschbetrag von 102 Euro, den Eigenanteil zur Kranken- und Pflegeversicherung, Beiträge zu Haftpflicht- und Unfallversicherungen, Kirchensteuer, Spenden, Ausgaben für Medikamente, Praxisgebühr oder Zuzahlungen beim Arzt. Auch Behindertenfreibeträge können das zu versteuernde Einkommen senken.

Es lässt sich eine Menge gegenrechnen

Rutscht ein Rentner nach dem Abzug all dieser Ausgaben unter den Grundfreibetrag, fällt keine Steuer an. Experten hantieren häufig mit einer Faustformel: Hat ein Rentner weniger als 1400 Euro gesetzliche Brutto-Monatsrente oder 16 800 Euro im Jahr, dann muss er in der Regel keine Steuern zahlen. Für Verheiratete gelten wieder die doppelten Summen. Die häufig genannte Zahl von 19 000 Euro bezieht sich auf die Rentnerzugänge des Jahres 2005 und davor.

Es zählt aber immer die individuelle Situation des Steuerzahlers. Denn selbst, wenn ein Senior unterhalb des Grundfreibetrages liegt, kann es sein, dass er dennoch verpflichtet ist, eine Steuererklärung abzugeben: bei Bezug einer Betriebsrente oder Pension, bei Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit oder aus einem Job auf Steuerkarte, bei Pacht- oder Mieteinnahmen.

Für Rentner besteht kein Grund zur Panik. Die Stiftung Warentest rät Betroffenen, dem Finanzamt zuvorzukommen und versäumte Steuererklärungen kommentarlos nachzureichen. Bei Nachfragen sollten sie sich auf steuerliche Unkenntnis berufen und ihre Steuerschuld mit den möglicherweise fälligen Zinsen nachzahlen. Noch sei genügend Zeit – im Zweifelsfall hilft auch der Gang zum Lohnsteuerhilfeverein oder zum Steuerberater.

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