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Wahlkampf konnte Interesse an Politik nicht steigern

Viele entscheiden sich für das »kleinere Übel« LINKE-Wähler am meisten von Programm und Personen überzeugt

  • Steffen Twardowski
  • Lesedauer: 2 Min.
Taktische Wähler sind kein Massenphänomen. Besonders SPD, CDU/CSU und die LINKE haben treue Sympathisanten.

In der Endphase des Wahlkampfes jagen Parteistrategen, Journalisten, Meinungsforscher und Politikwissenschaftler wieder einem Phantom nach: dem taktischen Wähler. Diese ausgebufften Wahlberechtigten tricksen alle aus, denn sie geben sich nicht klar zu erkennen. Zum Beispiel sympathisieren sie mit der einen Partei und stimmen doch für eine andere, damit diese mit der von ihnen eigentlich bevorzugten Gruppe eine Koalition eingeht. Alles klar?

Umfrageergebnisse von TNS Emnid aus dieser Woche zeigen, dass die »taktische Stimmabgabe« tatsächlich in den Köpfen des Wahlvolkes herumgeistert, allerdings auf einem recht moderaten Niveau (siehe Grafik). Lediglich 16 Prozent geben an, dass dieses Wahlverhalten sehr auf sie zutrifft, und eher die Anhänger der Oppositionsparteien ziehen es ins Kalkül. Andererseits sagen 22 Prozent, dass folgende Aussage sehr für sie gilt: »Es ist schwierig zu begründen, warum ich diese Partei wähle. Die anderen sind einfach noch schlechter.« Die Wahl des kleineren Übels als letzte Option spielt also auch in der Politik eine Rolle.

Es fällt bei näherer Betrachtung der Ergebnisse zunächst auf, wie sehr die LINKE im Vergleich zu den anderen Parteien ihre Anhänger sowohl mit dem Programm als auch mit den Personen überzeugen konnte. Dass sie weiterhin einerseits mit ihrer Entscheidung gegen die aktuelle Regierung protestieren und gleichzeitig eine Regierungsbeteiligung wünschen, drückt den starken Wunsch nach Veränderungen aus. Demgegenüber spielen Protagonisten und Themen bei der Entscheidung für CDU/CSU und SPD offenbar eine geringere Rolle, hier steht der Drang zur Macht im Vordergrund. Am heftigsten spüren ihn die Wähler der Unionsparteien. Über besonders treue Sympathisanten können sich SPD, CDU/CSU und die LINKE freuen.

Weiterhin macht die Emnid-Studie deutlich, dass dieser Wahlkampf das Interesse an Politik nicht gesteigert hat. Seit dem Juli 2008 haben sich die Werte insgesamt nicht verändert. Angesichts des Mottos »Nach der Wahl ist vor der Wahl« sollte dieser Befund nachdenklich machen. Während sich von den Befragten bis 29 Jahren fast zwei Drittel (62 Prozent) sehr interessiert zeigen, sind es unter den ab 50-Jährigen über 80 Prozent. Von den Männern bekunden 87 Prozent, von den Frauen 67 Prozent Interesse an Politik. Unter den Parteianhängern liegen die der FDP (98 Prozent) und der LINKEN (94 Prozent) vor denen von CDU/CSU (89 Prozent), den Grünen (81 Prozent) und SPD (77 Prozent).

Der Autor leitet den Bereich Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der Linksfraktion im Bundestag.

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