Das Casino bleibt geöffnet

G20-Gipfel verabschiedet Boni-Regelung und verschiebt andere Beschlüsse auf 2012

  • Dieter Janke
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor dem Hintergrund der noch immer nicht überwundenen Finanz- und Wirtschaftskrise wurde der G20-Gipfel in Pittsburgh mit hohen Erwartungen verbunden. Nach seinem Abschluss gibt es viel Eigenlob aber auch harsche Kritik.

Einer der zentralen Punkte des Abschlussdokumentes des Gipfels, der künftig als permanenter Lenkungsausschuss für die globale Wirtschaft agieren soll, waren die variablen Bestandteile der Managervergütungen – die heftig diskutierten Boni. Sie sollen in Zukunft der langfristigen Wertsteigerung der Bank dienen, anstatt unmäßiges Risikoverhalten zu belohnen. So soll staatlichen Aufsichtsbehörden in allen Ländern ein Interventionsrecht eingeräumt werden, mit dem sie den Banken noch höhere Eigenkapitalvorschriften aufbürden können, wenn sie sich um ordentliche Vergütungsstrukturen herumdrücken. Auch soll der Anteil der variablen Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zu einer gesunden Kapitalbasis stehen.

Außerdem verständigten sich die G20-Regierungen, bis 2012 wichtige Regeln für die Finanzwirtschaft zu Eigenkapital, Bilanzierungsvorschriften, Derivathandel und zur Krisenbewältigung bei international agierenden Instituten zu verabschieden. Je risikoreicher die Geschäfte, umso höher soll das geforderte Eigenkapital sein. Bis zum Jahr 2011 sollen zudem diese sogenannten Basel-II-Regeln weltweit umgesetzt werden. Damit will man verhindern, dass die Banken wie in der Vergangenheit praktisch ohne Risikovorsorge mit Milliardensummen jonglieren.

Trotz der insgesamt recht vagen Vereinbarungen zeigten sich Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück als deutsche Verhandlungsführer mit den Ergebnissen des Gipfels in Pittsburgh zufrieden. Es gebe künftig für die Bürger mehr Sicherheit, dass sich eine solch gravierende Wirtschaftskrise nicht wiederholen könne, sagte Merkel. Steinbrück verwies auf den höheren Druck auf Steueroasen, auf den man sich verständigt habe. Zufrieden zeigte er sich über 20 neue Doppelbesteuerungsabkommen, mit denen von März 2010 an Steueroasen Strafen drohen.

US-Präsident Barack Obama warnte angesichts der Anzeichen für eine wirtschaftliche Erholung vor Selbstgefälligkeit. Staaten könnten künftig die Wirtschaftspolitik der jeweils anderen G20-Teilnehmer stärker unter die Lupe nehmen. Wer sich verantwortungslos verhalte, müssten mit Konsequenzen rechnen, sagte der US-Präsident. Der Gipfel habe »konkrete Schritte« in Richtung einer neuen, schärferen Finanzaufsicht gemacht.

Während DGB-Vorsitzender Michael Sommer Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihren Finanzminister Peer Steinbrück als »Krisen-Bewältigungs-Duo«, auf das man bei solchen Anlässen stolz sein könne, lobte, hagelte es aus den Oppositionsparteien Kritik. Die Grünen erklärten: »Das Casino bleibt bis auf weiteres offen.« Nach Ansicht der Grünen-Politiker Jürgen Trittin und Gerhard Schick sind die getroffenen Vereinbarungen »kein großer Neuanfang«. Deshalb könnten auch in den nächsten Jahren die Finanzexzesse ungehindert weitergehen. »Bis dahin haben die Lobbyisten genug Zeit, den restlichen politischen Willen zu schleifen.« Von einer Finanzumsatzsteuer sei »weit und breit nichts zu sehen«.

Der Partei- und Fraktionschef der Linken, Oskar Lafontaine, begrüßte den Beschluss, nach dem Länder mit großen Exportüberschüssen ihre Binnenkonjunktur ankurbeln müssten. Die Bundesregierung habe dieses Problem auf dem Gipfel verdrängen wollen. Die Exportüberschüsse Deutschlands seien unter anderem die Folge des Lohndumpings der vergangenen Jahre, das durch die Hartz-IV-Gesetze, Leiharbeit, befristete Arbeitsverhältnisse und Minijobs forciert worden sei.

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