Eigenständige Oppositionskraft

Dilemma für die Grünen: Mit ihrem Rekordergebnis landen sie wieder nur auf dem fünften Platz

  • Ina Beyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Grünen haben bei der Bundestagswahl ein Rekordergebnis erzielt. Zur drittstärksten Kraft hat es trotzdem nicht gereicht. Nun will man sich in der Opposition als eigenständige Kraft etablieren.

Bei den Grünen sind die Gefühle nach der Wahl gemischt. Um ein Drittel haben sie sich verbessern können und kamen damit auf 10,7 Prozent – die bisherige Bestleistung der Partei bei einer Bundestagswahl. Claudia Roth bezeichnete dies am Montag im Berliner »Postbahnhof«, wo die Spitzen der Partei vor die Presse traten, als »ein gutes Ergebnis«.

Ein Ziel, dass man im Wahlkampf hatte, sei damit erreicht, kommentierte Grünen-Chef Cem Özdemir: »Wir sind zweistellig geworden«. Indes: Die Partei hatte sich mehr gewünscht. Man sei »Regierung im Wartestand«, brachte es Özdemir zum Ausdruck. Das wohl wichtigste Wahlziel der Partei – Schwarz-Gelb zu verhindern – ist verfehlt worden. »Wir haben Schwarz-Gelb nicht verhindern können, weil selbst unser Rekordergebnis nicht ausreichte, um die Rekordverluste der SPD auszugleichen«, bedauerte Spitzenkandidat Jürgen Trittin. »Das ist sehr, sehr bitter«, sagte Parteichefin Claudia Roth.

Die Partei hat aber auch ein weiteres Ziel nicht erreichen können. Drittstärkste politische Kraft wollte sie am Sonntag werden. Gereicht hat es wegen des Stimmenzuwachses auch für die LINKE und die FDP nur zum fünften Platz. Damit ziehen die Grünen nun nicht als stärkste, sondern erneut als kleinste Partei in die Opposition ein.

Dort will man sich »als eigenständige Kraft präsentieren«, kündigte die zweite Spitzenkandidatin, Renate Künast, an. In Berlin versprach sie eine »pure, grüne, eigenständige Oppositionsarbeit«. Künast sieht ihre Partei dabei klar im Vorteil gegenüber den Mitbewerbern. »Die SPD muss sich neu definieren«, gab sie am Montag den einen mit auf den Weg, »die LINKE hat einen schweren Selbstfindungsprozess vor sich«, den anderen.

Die Partei wird sich dennoch künftig zäh durchbeißen müssen, was ihre klimapolitischen Ziele betrifft. Insbesondere der Atomausstieg, für den sie wie keine andere Partei in Deutschland gestritten hat, steht mit Schwarz-Gelb nun gänzlich auf der Kippe. Der Widerstand gegen längere AKW-Laufzeiten und Kohlekraft wird daher eine der Hauptaufgaben der kommenden Jahre werden. Man will sich dazu aber auch etwa für den Ausbau des Bildungsbereichs stark machen, gegen Gentechnik vorgehen und den Abbau von Arbeitnehmerrechten, wie er unter der neuen Regierung droht, verhindern helfen.

In ein »linkes Lager«, wie es manche in der kommenden Opposition sehen, will sich Künast nicht einordnen lassen. »Man kann sich politisch links definieren, ohne sich in ein linkes Lager reinzuwünschen.« Und Cem Özdemir, der am Sonntag in seinem Wahlkreis Stuttgart mit 30 Prozent der Erststimmen den Einzug in den Bundestag knapp verpasst hat, sagte: »30 Prozent kriegt man ja nicht, wenn man in einem bestimmten Lager fischt.«

Unumstritten ist das indes nicht. Parteilinke wie der Berliner Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, der erneut als einziger Grüner ein Direktmandat erzielte, wollen eine linke Mehrheit in Deutschland mitorganisieren. Neue Richtungsdebatten dürften daher anstehen.

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