PLATTENBAU

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Ich habe das gesamte Repertoire meiner Ladino-Lieder in der Küche meiner Mutter gelernt«, sagt Yasmin Levy. Die 1975 in Israel geborene Sängerin hält mit ihrer Musik ein vom Aussterben bedrohtes Kulturerbe am Leben, das über 500 Jahre alt ist: das Judenspanisch (Ladino) oder auch Spaniolisch – die traditionelle romanische Sprache der von der Iberischen Halbinsel vertriebenen Juden.

Auf ihrem vierten Album »Sentir« lässt Yasmin Levy ihre Muttersprache mit gefühlvollen Liedern neu aufleben, begleitet von feurigen Flamenco-Rhythmen. Der melancholische Grundtenor der Ladino-Musik wird von Levys tief vibrierender Stimme getragen, deren außergewöhnliche Sensibilität empfindsame Seelen zum Schaudern bringt wie ein allzu romantischer Bolero.

Besonders stolz ist sie auf ihr Arrangement der uralten Ladino-Romanze »Mi corason« (»Mein Herz«), in die sie einen Hauch von kubanischem Jazz einfließen lässt. Mit dem Song »Londje de Mi« (»Weit weg von mir«) lässt Yasmin Levy die Tradition der meist nur mündlich weitergegeben Lieder der sephardischen Juden weiterleben. »Sonst ist ihre Musik in einem halben Jahrhundert vielleicht endgültig ausgestorben«, betont die Sängerin, die zu einigen Neu-Kompositionen auch selbst die Texte schrieb.

Das Ladino wird heute von nur noch rund 150 000 Menschen gesprochen, von denen zwei Drittel in Israel leben. Der Rest verteilt sich auf den Balkan, den Nahen Osten und Nordafrika. Infolge der Reconquista, der christlichen Wiedereroberung im Jahr 1492, mussten die Juden Spanien und Portugal verlassen. In der Diaspora bildeten sie dann ihre eigene Sprache heraus. In der sind seit dem Mittelalter sowohl Lieder religiösen Inhalts wie auch weltliche Romanzen und Kinderlieder bezeugt.

Yasmins Vater Yitzhak Levy, der ein Jahr nach ihrer Geburt starb, war in Israels traditioneller »Radio Station« für den Bereich Ladino zuständig und publizierte zu der reichen Kultursprache sehr viele Bücher. Das von ihm als Tonkonserve erhaltene Lied »Una Pastora« (»Eine Schäferin«) erweckt Yasmin Levy auf ihrer CD in einem eigenwilligen Revival mit neuem Leben, begleitet von ihrer eigenen Stimme; und »Triste Vals«: die »Traurige-Walzer- Komposition« ihres Bruders Yuval, widmet sie all den Frauen dieser Welt, die ein schweres Schicksal zu tragen haben.

Die sprühende Lebensfreude der sephardischen Tradition ist dagegen aus dem Song »Jaco« herauszuhören: »Ich will das Erbe meines Vaters am Leben erhalten«, beschreibt Levy ihre musikalische Mission. Mit ihrer neuesten CD reist man imaginär auch zu den Juden der Türkei, wo ein Ladino-Sänger-Duett das rhythmisch reizvolle Lied »Alfonsito« komponierte. Das wiederum hat seine Wurzeln in einem alten spanischen Kinderlied.

Aber Yasmin Levy ließ sich auch von moderner Musik inspirieren, um diese ihrem Stil anzupassen. So macht sie aus Leonard Cohens Song »Hallelujah« ein elegisches Lied, das mit wehmütiger Schärfe unter die Haut geht. Während eines Studienaufenthalts im andalusischen Sevilla lernte sie auf der renommierten Akademie der Christina-Herren-Stiftung die musikalischen Feinheiten des Flamenco kennen: »Der ist für mich Leidenschaft pur«, sagt sie; und konfrontiert fortan mutig seine feurigen Rhythmen mit dem schwermütigen Grundklang der Ladino-Gesänge.

Als einen Appell, sich mehr für die Belange benachteiligter Menschen unserer Gesellschaft einzusetzen, versteht sie ihr gesungenes Pamphlet »Porque« (»Warum«). Die Belange der schwächsten Glieder in unserer Gesellschaft liegen der israelischen Sängerin besonders am Herzen. Als Goodwill-Botschafterin einer britischen Charity-Organisation kümmert sie sich um vertriebene Kinder aus dem Nahen Osten. Für diese organisiert sie zwei Mal im Jahr kreative Workshops, um den entwurzelten Jungen und Mädchen ein Stück ihrer vertrauten, eigenen Kultur im Exil nahe zu bringen.

Gabriela Greess

Yasmin Levy: Sentir (Harmonia Mundi)

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