Versicherungen in Serie – Teil 5 Preispoker im Herbst: Jetzt können viele Verträge gekündigt werden

Assekuranz

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Mehr als eine Million meist junge Menschen machen auch in diesem Jahr ihren Führerschein. Fast alle träumen vom ersten eigenen Auto und viele erfüllen sich diesen Wunsch. Angebote in Zeitung und Internet werden von den Fahranfängern genau studiert, bis nach langem hin und her endlich die Kaufentscheidung für ein preisgünstiges Auto fällt – nur bei der Versicherung, da wird dann oft nicht mehr so ganz genau hingeschaut und »blind« der Versicherer von Mama oder Papa gewählt.

Das kann die Anfänger – oder Mama und Papa – teuer zu stehen kommen. Denn nicht allein beim Autokauf kann viel Geld gespart werden, sondern auch beim Abschluss eines Versicherungsvertrages: Der Unterschied zwischen einer billigen und einer teuren Kfz-Police macht bis zu 50 Prozent aus und das sind schnell ein paar hundert Euro!

Als im Sommer 1994 der Startschuss zum Europäischen Binnenmarkt für die Assekuranz fiel, fielen auch die alten deutschen Vertragsfestungen. Heute kann jedes Unternehmen die Preise und Bedingungen für seine Produkte fast beliebig gestalten. Diese neue Freiheit führte einerseits zu einer neuen Unübersichtlichkeit, die uns Verbraucher sehr viel Zeit kosten kann, andererseits aber auch oftmals zu günstigeren Konditionen für die Versicherten. Ein Paradebeispiel dafür ist die Autoversicherung. Weil sie der Assekuranz gleichzeitig als Lockvogel für neue Kunden dient, die später dann auch lukrative Kranken- und Lebensversicherungen abschließen sollen, sind Neuverträge oft besonders günstig. Davon können übrigens nicht allein Fahranfänger profitieren, sondern auch alte Hasen und besonders Frauen.

Im Herbst beginnt für die Autoversicherer der jährliche Preispoker – denn zum Jahreswechsel können die Versicherten ihre Policen kündigen und zu einem anderen Anbieter wechseln. Im Herbst 2008 wechselten so etwa drei Millionen Autobesitzer ihren Anbieter. Und das wird, so erwarten es Experten, auch in diesem Jahr wieder so sein. Also unterbieten sich die rund hundert Versicherungskonzerne mit immer günstigeren Angeboten, um neue Kunden zu gewinnen.

In welche Typklasse Ihr Fahrzeug eingruppiert ist, erfahren Sie beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft unter www.typklasse.de.

Für jedes der 60 Millionen n Kraftfahrzeuge in Deutschland muss eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden. Diese reguliert alle Personen-, Sach- und Vermögensschäden, die Unfallopfern zugefügt wurden. Eine Haftpflichtversicherung ist daher für jeden Fahrer Pflicht.

Freiwillig ist dagegen die sogenannte Kaskoversicherung zum Schutze des eigenen Autos. Der Begriff »Kasko« stammt vom spanischen »casco«, was soviel wie Helm bedeutet. Typische Teilkaskoschäden sind Brand oder Diebstahl, oder Schäden, die Ihrem Wagen durch Überschwemmung oder Sturm zugefügt wurden. Darüber hinaus bezahlt eine Vollkaskoversicherung Schäden durch Vandalismus oder durch selbstverschuldete Unfälle.

Eine Teilkaskoversicherung empfiehlt der Bund der Versicherten, wenn das Fahrzeug jünger als acht Jahre ist, weil nämlich nur der Zeitwert ersetzt wird. Bei älteren Fahrzeugen wären die Beiträge im Verhältnis zu hoch. Darüber hinaus kann sie sich für Fahrzeuge mit hohem Wiederverkaufswert auszahlen. Eine Vollkaskoversicherung sei vor allem angemessen für Neuwagen in den ersten drei oder vier Jahren nach Anschaffung, besonders für hochwertige Fahrzeuge. Empfehlenswert ist sie, wenn das Auto mit einem Kredit finanziert wird.

Unser Tipp: Vereinbaren Sie eine Selbstbeteiligung, um den Beitrag zu senken. Empfehlenswert ist ein Selbstbehalt von 150 bis 500 Euro.

Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, kann zusätzlich eine Insassenunfallversicherung abschließen. Diese gilt jedoch unter Experten als überflüssig, da die Insassen zumindest in Deutschland und den gängigen Urlaubsländern ohnehin üblicherweise ausreichend abgesichert sind. Und auch deshalb, weil berechtigte Ansprüche bereits durch die Kfz-Haftpflichtversicherung erfüllt werden. Und verursacht ein anderer den Schaden, tritt ohnehin dessen Versicherung ein.

Heute bemisst sich der Preis von Haftpflicht- und Kaskoversicherung nicht mehr nur nach dem Wagentypen, der Dauer des Führerscheinbesitzes und der Regionalklasse. Dazu schauen die Statistiker der Versicherungsbranche, wie häufig Autofahrer, die in einem bestimmten Landkreis angemeldet sind, Schäden verursachen, und wie teuer sie waren.

Heute gibt es »dank« der Liberalisierung des Versicherungsmarktes kaum noch ein Merkmal, welches Versicherungsmathematiker unberücksichtigt lassen, wenn sie die schätzungsweise 20.000 unterschiedlichen Versicherungsklassen festlegen. Gesetzlich verboten als Auswahlkriterium sind lediglich die Unterscheidung nach Nationalität und Religion.

Vorteile aus der Preisdifferenzierung können Frauen ziehen. Frauen schneiden oft bei den Prämien besonders günstig ab, da sie im Durchschnitt weniger Unfälle verursachen als männliche Fahrzeuglenker. Beitragsnachlässe gibt es jedoch beispielsweise auch für Zweitwagen oder Garagennutzung, für Wenigfahrer und Beamte und auch noch für andere Merkmale. Aber nicht jeder Fahrer profitiert heute von den neuen Freiheiten. So zahlen Männer und vor allem Anfänger durchschnittlich mehr Geld für eine Kfz-Police als vor der Liberalisierung, da sie häufig besonders gefährlich fahren und häufig Unfälle produzieren.

»Mit der Auswahl einer günstigen Autoversicherung können Sie bis zu 500 Euro im Jahr sparen«, rechnet ein Internetdienst vor. Im Einzelfall kann sogar noch mehr gespart werden, meint der Bund der Versicherten (BdV). Im vergangenen Herbst hatte die Allianz, Europas größter Versicherungskonzern, den alljährlichen Preiskampf eröffnet. Der stärkste Konkurrent um Marktanteile, HUK-Coburg, reagierte postwendend und senkte seine Tarife. Der Mehrzahl der Kassen blieb kaum eine andere Wahl, als mitzuziehen.

Ein Wechsel kann sich also durchaus lohnen. Aber achten Sie auf mögliche Fallen in den Verträgen. So macht es einen großen Unterschied, ob der Prämienrabatt nur für ein Jahr gewährt wird oder dauerhaft niedrig bleibt. Versicherer greifen noch zu einem anderen Trick: Sie verändern das Datum der sogenannten Fälligkeit, so dass der traditionelle Anbieterwechsel im nächsten Herbst nicht mehr möglich ist. Die Stiftung Warentest rät daher, vor der Unterschrift genau auf die Versicherungspolice zu schauen und sich den kommenden Kündigungszeitpunkt im Kalender rot anzustreichen.

Bei vielen Gesellschaften kommen jedoch nur Neukunden in den Genuss der Billigtarife. Aber auch erfahrene AutofahrerInnen haben eine Chance, in eine günstigere Kasse zu wechseln: Der nächste offizielle Wechseltermin ist bereits der 1. Januar 2010! Kfz-Verträge sind normalerweise zum Jahreswechsel kündbar. Dazu muss die Kündigung bis spätestens Ende November beim bisherigen Versicherer eingegangen sein.

Eine Kündigung ist aber auch möglich nach einem Schadensfall. Jederzeit. Und Sie können ebenfalls jederzeit kündigen, wenn die Versicherungsgesellschaft die Prämien zwischenzeitlich erhöht hat, oder bei der Neuzulassung eines Pkw.

Unser Tipp zum Prämien sparen: Fahranfänger können ihren neuen Wagen über die Eltern versichern. Am besten, nachdem diese sich eine günstige Versicherung für das neue Auto des Sprösslings gesucht haben. Der Nachwuchs wechselt dann erst nach einiger Zeit in einen eigenen Vertrag und gilt dann nicht mehr als Fahranfänger.

Unterm Strich können Prämienerhöhungen und die jährlichen Änderungen bei den Regionalklassen sowie bei den Typklassen ganz schön ins Geld gehen. Die Stiftung Warentest ermittelt (www.test.de) die für Sie günstigen Angebote im unübersichtlichen Markt. Außer der Kfz-Haftpflicht-Versicherung werden für Pkw auch günstige Kaskoversicherer ausgewählt. Die Auswertung kostet 16 Euro.

Im folgenden noch eine Liste, worauf Sie beim Kleingedruckten achten müssen. Erstellt wurde sie vom Bund der Versicherten. Achten Sie bei der Einholung eines Angebotes auf diese Bedingungen:

– Die Deckungssumme bei der Haftpflichtversicherung sollte 100 Millionen Euro betragen.

– Achten Sie auf Unterschiede beim räumlichen Geltungsbereich, vor allem, wenn Sie mit Ihrem Fahrzeug ins außereuropäische Ausland reisen. Der vereinbarte Haftpflichtchutz sollte auch für ein im Ausland gemietetes Fremdfahrzeug gelten (Mallorca-Police). Die teils wesentlich geringeren Versicherungssummen im Ausland könnten nämlich nicht ausreichen, um Schadenersatzansprüche zu erfüllen.

– Zur Kaskoversicherung sollte der Versicherer auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit verzichten. Davon ausgenommen bleiben Unfälle, die durch Alkohol- und/oder Drogenkonsum verursacht werden, sowie die grob fahrlässige Begünstigung eines Fahrzeugdiebstahls.

– Sonderausstattungen wie fest eingebaute Navigationsgeräte sollten bis mindestens 3.000 Euro beitragsfrei mitversichert sein.

– Schäden am Neufahrzeug sollten mindestens bis zu sechs Monate nach Erstzulassung zum Neuwert und nicht nur zum Zeitwert ersetzt werden.

– In der Kaskoversicherung sollten Schäden durch Marderbisse inklusive Folgeschäden erstattet werden.

– Über die Wildschadenklausel sollten Schäden, die durch Kollision mit Tieren jeder Art entstehen, versichert sein.

– Der Versicherer verzichtet in der Kaskoversicherung auf Anrechnung einer eventuell vereinbarten Selbstbeteiligung, wenn die Verglasung nicht ausgetauscht, sondern repariert wird.

– Für geleaste Fahrzeuge gibt es eine so genannte GAP-Deckung (engl. für Lücken). Sie gleicht bei Totalschaden oder Diebstahl die Lücke aus, die entsteht, wenn aus Vollkasko oder gegnerischer Haftpflichtversicherung den von der Leasinggesellschaft geforderten Ablösewert des Fahrzeuges nicht erreichen.

– Positiv ist ein Rabattretter: Meist ab einer Einstufung in die Schadenfreiheitsklasse 25 erhöht sich der Beitragssatz nach einem Schadensfall nicht. Sonst wird der Vertrag nicht nur in eine schlechtere Schadenfreiheitsklasse eingestuft, sondern es sind auch höhere Beiträge zu zahlen.

– Der Versicherer sollte Mitglied im Versicherungsombudsmann e.V. sein. Dann können Sie sich bei Streitigkeiten dort beschweren. Bei einem Streitwert bis zu 5000 Euro kann der Ombudsmann die Entscheidung des Versicherers direkt korrigieren. Geht es um mehr Geld (bis zu 80.000 Euro), gibt der Ombudsmann Empfehlungen, die erfahrungsgemäß von den Gesellschaften akzeptiert werden.

HERMANNUS PFEIFFER

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