PLATTENBAU

  • Lesedauer: 3 Min.

Cathedral« und »First Light's Freeze«, so heißen die ersten beiden Castanets-Alben des in San Diego lebenden Musikers Raymond Raposa. Zwei überaus bemerkenswerte Alben, inzwischen vier und fünf Jahre alt. Die Zeit konnte ihrem musikalischen Eigensinn nichts anhaben. In den Texten heulen die Geister der Einsamkeit, fernab aller Hoffnung. Manche Songs bewegen sich, schwer wie Blei, keinen Zentimeter von der Stelle. Und Raposas Stimme klingt wie ein erwartungsvolles Grab.

Der sporadische Einsatz einer Drummachine und spiralförmig gewundene Synthie-Sounds entfremden nicht wenige Stücke von ihrer Ur-Referenz, dem Folk-Song. New Weird Americana nannte man das damals. Raposa trug, wie so viele Zausel des US-Weird Folk, einen buschigen Vollbart und gab sich als seltsamer Eigenbrötler, der er vielleicht sogar war. Da musste man dann beinahe automatisch an den frühen Will Oldham, den Kopf der Palace Brothers denken, der schon »weird« war, bevor es das Phänomen Weird Folk überhaupt gab.

Inzwischen ist Raposas Bart erheblich kürzer, um Weird Folk ist es ruhig geworden, weshalb Raposas Castanets noch geheimere Geheimtipps sind als vormals – trotz weiterer hervorragender Alben.

»Texas Rose, The Thaw, The Beasts«, das jüngste Album: In Raposas nach wie vor mit sehr viel Kehle gesungener Grabesstimme scheint so etwas wie innerer Frieden zu liegen, vielleicht sogar Hoffnung. So verführerisch es sein mag, vom abgründig bedeutungsvollen Klang dieser Stimme auf den psychischen Zustand ihres Urhebers zu schließen, so verkehrt wäre dieser Ansatz gleichwohl – weil er den Überschuss der Kunst, ihren inszenatorischen Charakter, einer banalen Authentifizierung zuliebe, vernachlässigen würde.

Indessen wären Raposas Castanets eine andere Band, wenn sie es auf »Texas Rose, The Thaw, The Beasts« nicht auf die Entfernung des Folk von seinem Zuhause abgesehen hätten. So sorgen auch hier flirrend bedrohliche, immer intensive Soundscapes und nicht zuletzt der Hall, der über allem liegt, für eine gewisse Distanz von der Welt, für eine Unbehaustheit, die an den fremden Rausch unter psychedelischen Drogen erinnert.

Andererseits sind einige der Songs, in Melodieführung und Arrangement ungewöhnlich nahe dran am Country- und Folk-Pop »good old Nashvilles«. Insgesamt wurden die Stücke wesentlich satter instrumentiert. Hier hören wir einen Chor, dort ein friedvolle Piano-Akkorde, auch Bläser, Mariachi-Trompeten etwa, die keinen Free Jazz mehr machen. Mitgewirkt auf dieser abwechslungsreichen, mit bald schon orchestral zu nennendem Aufwand eingespielten Platte haben Mitglieder von Rocket From The Crypt, Bauhaus, Gogogo Airheart, The Black Heart Procession und DM Smith, Raposas Asthmatic-Kitty-Label-Kollege.

Am bemerkenswertesten ist freilich »Lucky Old Moon«. Dass Raposa einmal alte Moog-Synthesizer herauskramen würde, um Vangelis, Pink Floyd und Phil Collins zusammenzubringen, damit war nicht unbedingt zu rechnen. Ein sich in jeder Beziehung kosmisch gebender Song, verdammt nahe am Kitsch, aber seltsamerweise: nicht zu nah.

Michael Saager

Castanets: Texas Rose, The Thaw & The Beasts (Asthmatic Kitty / Soulfood / Triton)

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