Deutscher Schiffbau ein Auslaufmodell?

Werften können eine bedeutende Zukunftsbranche sein, wenn sie ihre Hausaufgaben machen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Seezeichen stehen auf Sturm. Der größte Werftbetreiber TKMS steigt aus dem Bau von Handelsschiffen aus. Und ohne milliardenschwere Staatshilfe würden die Wadan-Werften, die Bremer Hegemann-Gruppe oder Sietas in Hamburg bald untergehen. Ein Auslaufmodell ist der deutsche Schiffbau für die Politik nicht. Er bleibe eine »Zukunftsbranche mit hoher gesamtwirtschaftlicher Bedeutung«.

Werften und Zulieferer leiden unter den gleichen Problemen wie andere Industrien. Automobil- und Maschinenbau, Luftfahrt und exportorientierte Hochtechnologiebranchen sind nicht allein kurzfristig durch die weltweit zusammengebrochene Nachfrage, sondern auch langfristig durch Dumpingkonkurrenz aus Asien und vor allem durch eigene Überkapazitäten in ihrer Existenz gefährdet.

Nur wenige Verantwortliche in Wirtschaft und Politik beachten die nachhaltige Gefahr. Herbert Aly ist so einer. »Schiffbau hat Zukunft, aber nicht auf dem Kapazitätsniveau, das wir heute haben«, sagte er im Sommer auf einer Veranstaltung der IG Metall. Der Vorstand der Thyssen Krupp Marine Systems (TKMS) und Vizepräsident des Schiffbauverbandes VSM erwartet, dass die Hälfte der deutschen Werften nicht überleben wird.

Sein eigener Konzern hat beschlossen, sich aus dem Handelsschiffbau ganz zurückzuziehen. Blohm + Voss in Hamburg soll bis Weihnachten großenteils an die staatliche Abu Dhabi MAR verkauft werden. Der Militärschiffbau wird in einem Gemeinschaftsunternehmen fortgeführt, der U-Boot-Bau bleibt ganz beim Essener Stahlkonzern ThyssenKrupp.

Dabei zeichnete sich die Krise seit Langem ab und VSM sowie die IG Metall ließen es an Warnungen nicht mangeln. China, Vietnam, bald auch Bangladesch und Indien bauen gewaltige Werftkapazitäten auf – für ihren eigenen Transportbedarf und, um die Technologiebranche für die nachholende Modernisierung ihrer Wirtschaft zu nutzen. Trotzdem setzten viele deutsche Werften auf den vergleichsweise simplen Bau von billigen Containerschiffen.

Zu diesem Leichtsinn kamen Qualitätsprobleme. So wird die Deutsche Marine die hauptsächlich von TKMS gebauten Korvetten erst ein Jahr später zum Einsatz bringen können als vorgesehen. Branchenintern wird mancher Spitzenmanager für eine »Niete in Nadelstreifen« gehalten und es gibt keine Werft, die nicht unter dem Mangel an Ingenieuren leidet.

Dass es auch anders geht, zeigt ThyssenKrupp selbst. Mit seinen von den Howaldtswerken-Deutsche Werft (HDW) in Kiel gebauten U-Booten mit Brennstoffzellenantrieb ist man Weltmarktführer. Erfolgreich im Marineschiffbau – und bei Mega-Yachten – ist auch das Bremer Familienunternehmen Lürssen, das auf größere Marktnischen, außerordentliche Qualität der Produkte und hohe Preise setzt. Trotz rüstungs- und exportpolitischer Auflagen ein Wachstumsmarkt: Viele Staaten rüsten als Antwort auf die Globalisierung ihre Kriegsmarinen auf.

Doch es geht auch ziviler. Der Windanlagenhersteller SIAG hat von TKMS die Nordseewerke Emden gekauft, um schwere Stahlbaukomponenten für Offshore-Windräder zu produzieren. »Das ist ein Job, den am besten Schiffbauer können«, lobt Stefan Krüger von der TU Hamburg-Harburg den Übergang zur zukunftsträchtigen Meerestechnik.

Und es geht auch klassisch: Die Meyer Werft, tief im niedersächsischen Binnenland gelegen, setzt auf modernste Produktionstechniken für ihre 500 Millionen Euro teuren Kreuzfahrtschiffe. Diese werden aus einzelnen, in der Werkhalle an Land fertig ausgerüsteten Modulen zusammengesetzt. Andere Werften schweißen stattdessen erst den Rumpf zusammen, lassen ihn dann zu Wasser und rüsten später mühsam das verwinkelte Schiff mit Stromleitungen und Elektronik aus. Nach dem Meyer-Modell will fortan auch Sietas, die 1635 gegründete älteste deutsche Werft, ihre Fertigungsdauer halbieren. Zeit wird es.


Öko-Normen

In vielen Ländern Europas hilft der Staat Werften mit Bürgschaften und handfesten Subventionen. Politikberater Thorsten Ludwig mahnt in einer Studie für die Hans-Böckler-Stiftung umweltgerechte Produkte an. Dazu müsste Europa den Schadstoffausstoß von Schiffen weiter begrenzen: Selbst die besten Öko-Normen erlauben noch einen 100 Mal höheren Ausstoß als im Straßenverkehr. Solche Normen kämen europäischen Werften entgegen. So verbraucht eine deutsche Fähre ein Drittel weniger Treibstoff als eine in China gebaute. In der globalen Politik werden solche nicht-tarifären Handelshemmnisse indes als Protektionismus gegeißelt. Damit könnte sich der Exportweltmeister schnell ein Eigentor schießen. hape

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