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Gebhardt neuer Landeschef der LINKEN in Sachsen / Partei will Ende der Zerstrittenheit

  • Hendrik Lasch, Burgstädt
  • Lesedauer: 3 Min.
Sachsens LINKE hat mit Rico Gebhardt einen neuen Landeschef. Zusammen mit einem sorgfältig austarierten Vorstand soll er die zerstrittene Partei zurück auf die Erfolgsspur führen.

Schon sein Name prädestiniert Rico Gebhardt, den am Samstag mit 77,2 Prozent zum neuen Landeschef der sächsischen LINKEN gewählten Erzgebirgler, für die neue Aufgabe. Geb, erklärte der langjährige Parteichef und Sprachwissenschaftler Peter Porsch, sei im alten Ägypten schließlich ein Göttersohn gewesen, der die »Streitigkeit zwischen den Göttern schlichten sollte«.

Treffender kann kaum beschrieben werden, welche Aufgabe auf den neuen Chef des Landesverbandes zukommt. Dessen Zustand hatte der Chemnitzer Jurist und Landtagsabgeordnete Klaus Bartl bei der Eröffnung des Wahlparteitages in drastischen Worten beschrieben. Er sprach von »fast bis zur Unbeherrschbarkeit herangereiften Grabenkämpfen« und Rivalitäten unter »nahezu logenartig funktionierenden« Gruppierungen und Zusammenschlüssen, die sich belauerten und »einander bis zur Feindseligkeit begegnen«.

Die über Jahre herangereiften Konflikte werden in der Partei als eine der Ursachen dafür angesehen, dass ausgerechnet der mit 12 400 Mitgliedern stärkste Landesverband der LINKEN im Wahljahr 2009 nicht an deren Aufwärtstrend teilhatte. Bei der Landtagswahl kam man auf 20,6 Prozent und büßte nicht nur 77 000 Wähler, sondern erstmals seit 1990 auch an prozentualer Zustimmung ein. Bei der Bundestagswahl war Sachsen das einzige Ost-Bundesland, in dem kein Direktmandat gewonnen wurde.

Dieses, wie Bartl sagte, »partielle Versagen« habe seinen Grund in Führungsfehlern sowie »realitätsfernen Lagebeurteilungen«, etwa dem Festhalten am Regierungsanspruch, als das Verhalten potenzieller Partner bereits ebenso dagegen sprach wie eigene Umfragewerte. Es habe Gründe aber auch in den leidenschaftlich und teils in den Medien ausgetragenen Kontroversen. Der Spitzenkandidat und Fraktionschef André Hahn erinnerte an »Grabenkämpfe um fast jeden Preis« und hielt nüchtern fest: »Eine zerstrittene Partei ist für Wähler nicht attraktiv.«

Das soll sich jetzt ändern – dank des neuen Vorsitzenden und eines sorgfältig austarierten Vorstands. Zusammen mit den Kreischefs war dazu ein Personalpaket beschlossen worden, das Gebhardt mit dem 59-jährigen Juristen Bartl einen Vertreter der PDS-Gründergeneration an die Seite stellt, mit dem 33 Jahre alten Finanzexperten Sebastian Scheel aber auch einen Wortführer der oft salopp als »Jugendbrigade« bezeichneten Folgegeneration. Vor allem zwischen diesen Gruppen war es immer wieder zu Konflikten gekommen, die freilich eher selten auch auf konträren politischen Ansätzen beruhten; Begriffe wie »Realos« oder »Fundis« erwiesen sich stets als ungeeignet, die sächsischen Querelen zu charakterisieren. Dazu kommt mit der 52 Jahre alten Leipziger GEW-Chefin Cornelia Falken eine Abgeordnete, die über gute Kontakte zu Verbänden und Initiativen außerhalb des Parlaments verfügt.

Gebhardt will künftig vor allem eine integrierende Rolle spielen. Er »beurteile Personen nicht danach, aus welcher Gruppe sie kommen«, versprach er. In seiner Bewerbung hatte er angekündigt, das »immense Misstrauen untereinander« abbauen zu wollen. Der 46-jährige neue Landesvorsitzende, der einst Koch gelernt hat, im Handel arbeitete, im Erzgebirge Kommunalpolitik betrieb und zuletzt zehn Jahre lang Landesgeschäftsführer war, warb für einen »politischen, aber auch kulturellen Aufbruch«. Er rief die Partei zu mehr Selbstbewusstsein auf und kündigte an, langfristige politische Ziele in einem eigenen sächsischen Parteiprogramm formulieren zu wollen.

Nicht zu erwarten ist von Gebhardt eine Führung der Partei mit harter Hand. Er wolle nicht sagen: »Alles tanzt nach meiner Pfeife!«, sondern übernehme »Verantwortung unter Gleichgesinnten«, sagte er. Zweifel, ob das derzeit der richtige Ansatz ist, widerlegte Porsch: Er solle sich vom »Gerede über einen möglicherweise schwachen Vorsitz mit fehlendem Charisma« nicht stören lassen – »Gebhard« bezeichne im Althochdeutschen schließlich einen Menschen, der auch über die Gabe verfügt, stark, hart und kühn aufzutreten

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