Afrika und Deutschland – Partnerschaft auf Augenhöhe?

Diskussion über eine schwierige Beziehung

  • Reinhard Schwarz
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie soll eine »Partnerschaft auf Augenhöhe« zwischen Deutschland und Afrika aussehen? Darüber debattierten dieser Tage in Hamburg Afrika-Experten. Dabei kam auch die von Gewalt geprägte Kolonialherrschaft Deutschlands zur Sprache.
Moderatorin Anke Butscher (m.) inmmitten zweiter Diskutanten Ulrich van der Heyden (l.) und Louis Henri Seukwa ( r.).
Moderatorin Anke Butscher (m.) inmmitten zweiter Diskutanten Ulrich van der Heyden (l.) und Louis Henri Seukwa ( r.).

Die Podiumsdiskussion hielt nicht, was sie zu versprechen drohte. »Afrika – nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe? Anforderungen an Wirtschaft und Politik.« Das klingt nach Langeweile und Sitzfleischmassage. Dass die Diskussion nicht in der erwarteten Ödnis mit den üblichen Absichtserklärungen über gegenseitige Verständigung, Vorurteile abbauen und Aufeinanderzugehen dahinplätscherte, war vor allem dem Erziehungswissenschaftler Prof. Louis Henri Seukwa von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften zu verdanken. Er stellte klar, dass allein die Fragestellung eine »verräterische oder programmatische Tautologie« bedeute: »Partnerschaft findet per Definition grundsätzlich immer auf Augenhöhe statt.« Das heutige Afrika sei hingegen »eine Schicksalsgemeinschaft von Besiegten und Verlierern«, während die reichen Staaten Europas die »Attitüde des Siegers« einnähmen. Gewinner seien weiterhin »post-koloniale Potentaten und deren europäische Partner«. In internationalen Beziehungen gehe es »nicht um Philanthropie«, so Seukwa, »sondern um Interessen«. Entsprechend müsse die Frage gestellt werden: »Welches Interesse kann Europa an einer Partnerschaft mit Afrika haben?« Leider wurde diese berechtigte Frage während der Debatte nicht beantwortet. Einige der Teilnehmer beschäftigten sich mit eigenen Befindlichkeiten der – zumeist gut gemeinten – kirchlichen Afrika-Hilfe, während die Rolle der multinationalen Konzerne, der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds nicht beleuchtet wurde.

So war es denn der Afrika- und Kolonialhistoriker Professor Ulrich van der Heyden von der Humboldt Universität Berlin, der die Rolle der Gewalt in den Beziehungen zwischen Afrika und Deutschland erläuterte. Van der Heyden nannte als Beispiel die Person Carl Peters, ein »Abenteurer und Verbrecher«, der in den Jahren 1884/1885 mit »Mord und Gewalt für die deutsch-ostafrikanische Gesellschaft« Land zusammenraubte. 1890 wurde das von ihm eroberte Gebiet in Ostafrika der Schutzherrschaft des Deutschen Reiches unterstellt. Widerstand wie etwa beim Maji-Maji-Krieg in Tansania vor mehr als hundert Jahren wurde niedergemetzelt.

In der anschließenden, durchaus emotional geführten Debatte um die »Partnerschaft auf Augenhöhe« mischten sich auch Afrikaner aus dem Publikum ein. »Sie reden über Afrika, obwohl hier niemand aus Afrika auf dem Podium sitzt«, kritisierte einer. »Afrika denkt komplett anders, man muss erst mal die Kultur und Religion kennen lernen«, forderte er. Zudem bestehe Afrika wie Europa auch aus unterschiedlichen Staaten, das werde hier im Norden komplett ignoriert. Eine Afrikanerin erklärte: »Afrika hat unter der Versklavung und dem Kolonialismus gelitten. Auch heute noch ist Afrika unterjocht.« Es sei auch nicht richtig zu sagen, Europa sei entwickelt, Afrika hingegen nicht: »Afrika hat seine eigene Kultur und Geschichte.«

Eingeladen hatte der Zukunftsrat Hamburg, ein Zusammenschluss von Initiativen und Gruppen auf der Basis der 1992 in Rio de Janeiro verabschiedeten Agenda 21. Vier Afrika-Experten sollten mit der schließlich wegen Grippe verhinderten stellvertretenden Hamburger Bürgermeisterin Christa Goetsch (Grüne) über die Kooperation zwischen der Hansestadt und der Hauptstadt Tansanias, Dar es Salaam, diskutieren, zumal seit Jahren über eine offizielle Städtepartnerschaft nachgedacht wird. Die wird weiter ebenso Thema bleiben wie die schwierige Beziehung zwischen Deutschland und Afrika.

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