Knackarsch statt Nacktarsch

Mosel-Winzer wollen weg von dem Image, sie produzierten vor allem süßen Massenwein

  • Christine Tscherner, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Marke »Kröver Nacktarsch« machte den beschaulichen Weinort Kröv an der Mosel vor 50 Jahren berühmt. Der entblößte Knabenpo auf dem Wein-Etikett stand für Weinseligkeit und günstig-süffigen Massenwein aus Deutschland. Weg mit dem Kitsch-Image, sagt sich die neue Winzergeneration und versucht erfolgreich mit Können bei Kennern zu punkten.

Kröv/Bingen. Der klare Pluspunkt für die Kröver Winzer ist der Bekanntheitsgrad ihrer Hauptlage an der Mosel. Den Kröver Nacktarsch kennt fast jeder Weintrinker jenseits der 50. Doch die Markenzuordnung hat sich auch als Hemmschuh für hervorragende Mosellagen und aufstrebende Flaschenwein-Winzer entwickelt. Am Image »süß und billig« rütteln, das hat sich die junge Generation der Selbstvermarkter vorgenommen. Bei ihren Treffen diskutieren und proben sie kritisch gegenseitig ihre Weine, überlegen Strategien, laden Fachleute ein.

Die Zusammenschlüsse junger Mosel-Winzer tragen kreative Namen: »Moseljünger« nennen sich etwa die 16 Riesling-Winzer im Saar-Mosel-Gebiet. Das Dilemma an der Mosel ist klar: Wo Berge zu steil für Maschinen sind, bleibt Weinbau aufwendige Handarbeit. Betriebe sind darum meist kleiner, Hektarflächen und Ertrag pro Mitarbeiter geringer. Zeit für Marketing ist knapper als in anderen Weinbauregionen. Zudem liegt keine Großstadtregion in Reichweite. In Kröv, einem beschaulichen Moselort mit 2300 Einwohnern und fast 100 Winzerbetrieben, wurde vor fast zwei Jahren eine neue Initiative gestartet. Das Ziel der neun Jungwinzer umreißt Christian Klein: Man wolle an dem Ruf, hier werde nur süßer Massenwein produziert, »schrauben«. Der Weinbauingenieur bewirtschaftet gerade einmal 0,8 Hektar. Viel Arbeit, viel Schufterei für wenig Menge pro Betrieb.

Die Erkenntnis, dass sich bei fallenden Fassweinpreisen nicht mehr wie einst auf Masse setzen lässt, hat sich bei vielen Winzerkollegen von Klein längst durchgesetzt. »Klasse« heißt die Überlebensstrategie. Und Trommeln lernen – neben der Arbeit in Weinberg und Keller. Teils euphorische Kritiken von Weinkennern sind inzwischen der Lohn für die Nacktarsch-Kampfansage.

Immerhin gehören zur Großlage mit dem derben Namen zwei der unumstritten besten Mosel-Lagen. Der steile Hang des »Steffensbergs« etwa kann bis zu 70 Prozent Neigung unter seinen Rieslingstöcken vorweisen. Doch unter dem Nacktarsch-Mantel ist er in Vergessenheit geraten. Weinkenner sprechen heute jedoch mit Blick auf diese Lagen begeistert vom »schlankem Körper«, »strahlender Frische«, »feiner Kräuter- und Mineralien-Note«, also von rundum moderner Mosel-Eleganz im Glas.

Eines scheint klar: Ein nacktes Hinterteil allein reicht nicht. »Knackarsch« hat einer der Winzer darum frech einen seiner Rieslinge getauft.

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